Drehgeber Die Anwendung bestimmt das Wirkprinzip

Redakteur: Gerd Kucera

Über Technologie-Plattformen im flexiblen Baukastensystem lassen sich optimierte Drehgeber realisieren, um auf den Einsatz vorgegebener Standard- oder komplexen Sonderausführungen verzichten zu können. Der Anwender nutzt damit die jeweils technisch beste Kombination für seine Anwendung.

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Zwei Abtasttechniken für Drehgeber haben sich im industriellen Drehgeber Umfeld etabliert: die optische und in letzter Zeit auch die magnetische. Die optische Funktionsweise bietet sehr hohe Auflösungen und Genauigkeiten und eine sehr hohe Widerstandsfähigkeit gegen elektromagnetische oder magnetische Störungen. Das magnetische Wirkprinzip hingegen ist besonders robust und hat besonders hohe Schutzgrade, die bis zu IP69K reichen können. Außerdem sind die Geräte kompakt und besonders für hohe Temperaturschwankungen geeignet, weil ein Anlaufen der Glasscheibe und dadurch eine gestörte Positionsaufnahme ausgeschlossen ist. Oft sind magnetische Geber preisgünstiger, jedoch niedriger auflösend und ungenauer.

Die Stärken der jeweiligen Technik optimal kombinieren

„Die Herausforderung für uns bestand darin, die jeweiligen Stärken der beiden Techniken optimal für fassettenreiche Anwendungen einzusetzen“, konstatiert Gebhard Kübler, Geschäftsführer des Drehgeberherstellers. Deshalb integrierte das Unternehmen beide Technologien in die Plattformen für alle Drehgeberkategorien (inkremental, absolut Singleturn, absolut Multiturn und analog).

Kübler: „Im Bereich absoluter Singleturn-Drehgeber bieten wir neben einer optischen Abtastung, die auf moderner und besonders schneller OptoAsic-Chip-on-Board-Technik basiert, auch eine magnetische Abtasttechnik. Und mit der neuen Sendix-Absolut-Drehgeberfamilie erweitern wir unsere bestehende Technologieplattform mit elektronischer Multiturn-Stufe auf magnetischer Basis um eine absolute Multiturn-Produktfamilie mit mechanischer Multiturnstufe auf 100%ig optischer Basis. Zur Kommunikation stehen alle gängigen Schnittstellen wie SSI, BISS, Analog, CANopen, Profibus, DeviceNet und EtherCAT zur Verfügung.“

Die Gehäuse- und Lagerungsdesigns namens Sensor-Protect, Safety-Lock und Safety-Lockplus sowie ein breiter Temperaturbereich von -40 bis 90 °C ermöglichen Einsätze in schwierigstem Umfeld, insbesondere im Außenbereich. Damit steht dem Anwender ein breit angelegtes Baukastensystem zur Verfügung, bei dem grundsätzlich die am besten geeignete Technik für die jeweilige Anwendung eingesetzt wird.

Allein die Anwendung bestimmt die Drehgebertechnik

Nachfolgend zeigen Beispiele aus der Praxis, wie die jeweiligen Anforderungen die zum Einsatz kommende Technik bestimmen. Im Bereich Antriebstechnik sind insbesondere Getriebemotoren ein klassisches Einsatzgebiet für inkrementale Hohlwellen-Drehgeber. Diese können einfach neben oder zwischen Lüfter und Magnetbremse auf die Antriebswelle geschoben und mit einer entsprechenden Statorkupplung fixiert werden. Die starken Störfelder der Magnetbremse lassen jedoch nur eine optische Abtastung zu, weil diese unempfindlich gegen Magnetfelder ist.

Kübler: „Bislang waren im Gebiet Getriebemotoren die speziell entwickelten Drehgeber der 5820-M-Line stark nachgefragt, denn man konnte sie auch bei engen Platzverhältnissen mühelos einsetzen. Neue Anforderungen im Getriebemotorenmarkt erforderten aber mehr und mehr den Einsatz von absoluten Multiturn-Drehgebern. Gleichzeitig wünschten sich die Anwender eine ähnliche Einbauweise wie bei den inkrementalen Drehgebern - also einen Multiturn-Drehgeber mit durchgehender Hohlwelle für alle gängigen Antriebswellendurchmesser. Wegen der starken Magnetfelder der Magnetbremsen kommt jedoch auch bei Absolutgebern nur eine 100-prozentige optische Abtastung in Frage. Als die ersten Anfragen hierzu kamen, bot der Markt noch keine Multiturnlösung mit einer durchgehenden Hohlwelle auf optischer Basis.“

Neuartige Getriebe-Multiturns für lange Lebensdauer

Dies war einer der Anstöße für die Entwicklung einer Getriebe-Multiturnstufe der neuen Sendix-Absolut-Drehgeberfamilie - die erste mechanische Multiturnstufe mit durchgehender Hohlwelle bis 14 mm im 58-mm-Standardgehäuse. Hierzu nutzten die Entwickler ihre langjährige Erfahrung mit Getrieben aus dem elektromechanischen Mikrozählerbereich. Der Getriebeaufbau mit Spezialwerkstoffen, einer doppelt kugelgelagerten ersten Stufe und einer eigens dafür entwickelten Sonderverzahnung garantiert eine lange Lebensdauer und ermöglicht sogar bei hohen Dauertemperaturen Drehzahlen bis zu 9.000 U/Minute.

„Der Safety-Lock-Lageraufbau sorgt aufgrund verblockter, größerer Lager mit großem Abstand für Stabilität bei Vibrationen und verleiht eine Robustheit, die manch rauen Umgang bei der Installation verzeiht und so eine Vorschädigung des Drehgebers drastisch reduziert“, versichert Kübler, „dadurch werden Maschinenstillstände und Reparaturen, die teilweise erst nach Jahren auf einmal im Feld auftreten, erheblich vermindert.“

Die OptoAsic-Technik ermöglicht sehr kurze Regelzeiten mit Aktualisierungsraten des gesamten Positionswertes von über 100 kHz bei einem Jitter von max. 1ms für hohe Präzision in der Anwendung. Die Variante mit zusätzlicher Sin/Cos-Spur ermöglicht den Einsatz bei Applikationen, die ein hochauflösendes Feedback-System in Echtzeit benötigen, wie zum Beispiel Gearless-Antriebe. Alternativ sind digitale Inkrementalspuren verfügbar.

Robuste magnetische Drehgeberlösungen für Baumaschinen

„In mobilen Arbeitsgeräten wie z. B. Baumaschinen dagegen sind ganz andere Faktoren entscheidend“, informiert Florenz von Guttenberg, Entwicklungsleiter bei Kübler, „nämlich extrem hohe Robustheit und Schutzgrad. Also kann voll und ganz auf die magnetische Technologie gesetzt werden. Hier ist die neue absolute Singleturn-Familie 3650/3670, basierend auf der magnetischen Plattform, am richtigen Platz. Die berührungslose Technologie ermöglichte die Entwicklung des Sensor-Protect-Design, das aufgrund voll vergossener Elektronik und verkapseltem stabilem Druckgussgehäuse deckelseitig und wellenseitig die Schutzart IP69K bietet. Die besondere Herausforderung, dem ganzen Gerät die Eigenschaft IP69K zu verleihen, auch wellenseitig, ist damit erstmalig realisiert.“

Erhöhte Stoßfestigkeit bis 500 g für mehr Betriebssicherheit

Dafür wurde das bewährte Safety-Lock-Design durch einen speziellen Lageraufbau und eine spezielle Lagerabdichtung perfektioniert. Der neue Lageraufbau Safety-Lock Plus ermöglicht, dass sich die Dichtung hinter dem Flansch befindet und damit auch mechanisch geschützt ist. Die kompakte Bauform mit nur 36 mm Außendurchmesser findet überall Platz. Dank des breiten Temperaturbereiches von -40 bis 85 °C und einer besonders großen Resistenz gegen Feuchtigkeit und Kondensation bewähren sich die Geber auch bei Außenanwendungen und großen Temperaturschwankungen. Die extrem hohe Stoßfestigkeit von 500 g (100 g bei Dauerstoß) und Vibrationsfestigkeit (> 30 g) erhöhen die Funktionssicherheit in rauer Umgebung und vermeiden damit teure Maschinenstillstandszeiten und Reparaturen.

Alle Geräte haben eine Auflösung von 9 Bit (13 Bit- und Multiturnversionen in Vorbereitung), besitzen eine SSI-Schnittstelle, einen 4/20-mA- oder 0/10-V-Analog-Ausgang sowie CANopen (in Vorbereitung). Entsprechend der jeweiligen Anwendung gibt es den passenden Messbereich: entweder 45°, 90°, 180° oder 360°, kundenspezifische Messbereiche sind vorgesehen.

Kompakte Encoder-Lösungen für die Aufzugstechnik

„Es gibt aber auch Anwendungen, zum Beispiel in der Aufzugstechnik, bei denen eine möglichst geringe Einbautiefe und hohe Auflösung entscheidend sind“, betont von Guttenberg, „bei Aufzügen ohne Maschinenraum sitzt der Antrieb seitlich im Schacht. Für Geschwindigkeitserfassung als auch Kabinenpositionierung sind hier schmale Geber erforderlich - es zählt jeder Millimeter. In diesem Fall ergibt eine Mischung beider Technologien die beste raumsparende Lösung.“

Elektronische absolute Multiturns mit Hohlwelle bis 28 mm

Eine optische Singleturn-Stufe sorgt für eine hohe Auflösung und eine elektronische Multiturn-Stufe für die kompakte Bauform. Damit findet hier der Multiturn-Drehgeber 5882 mit durchgehender Hohlwelle und elektronischem Multiturn Getriebe mit einer Einbautiefe von nur 40,5 mm sein optimales Einsatzgebiet. „Ein entscheidender Vorteil elektronischen Multiturnstufen für Absolutgeber ist, dass sie sehr große Hohlwellendurchmesser von bis zu 28 mm ermöglichen“, resümiert Gebhard Kübler, „mit der Software Ezturn programmiert der Anwender den Drehgeber und ändert die Parameter für Codeart, Auflösung pro Umdrehung, Anzahl der Umdrehungen, Gesamtauflösung, Drehrichtung, Nullpunkt zur mechanischen Nullpunktkorrektur, Endschalter.“

Modularer Geberaufbau für maximalen Nutzen

Es gibt keinen „besseren“ Drehgeber, sondern nur eine intelligent gewählte Lösung mit der bestmöglichen Technik für die jeweilige Aufgabe. Hersteller haben dazu in mehrere Technikplattformen investiert, die sich modular nutzen lassen und in der Anwendung Kosten sparen und die Langlebigkeit erhöhen. Gleichzeitig ist auch die Verpackung dieser Technik, sprich die Mechanik, sehr wichtig. Bei der Drehgeberauswahl sollte der Anwender daher auch ein besonderes Augenmerk auf die Leistungsfähigkeit der gegebenen Lagerung und auf den Geräteschutz legen, den die Gehäusetechnik bietet. Werden diese wenigen Punkte beherzigt, dann steht einer langfristig wirtschaftlichen Lösung mit hoher Zuverlässigkeit, langer Lebensdauer und hoher Leistung kaum etwas im Weg.

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