Siemens Ersatzteile kommen aus dem "3D-Drucker"

Autor / Redakteur: Nils Ehrenberg / Sariana Kunze

Sogenannte 3D-Drucker, die dreidimensionale Objekte aus Kunststoff herstellen, gibt es seit den 80er-Jahren. Doch die Technologie hat sich seitdem erheblich weiterentwickelt. Heute werden bei Siemens mit Lasern bereits Maschinenteile aus Metallen wie Aluminium, Edelstahl und Titan durch Additive Manufacturing Schicht für Schicht "gedruckt".

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3D-Druck: Funkenschlagend schmilzt der Laser das neue Bauteil aus dem Metallpulver. Gesteuert wird er von einem Computerprogramm.
3D-Druck: Funkenschlagend schmilzt der Laser das neue Bauteil aus dem Metallpulver. Gesteuert wird er von einem Computerprogramm.
(Siemens)

Auf den ersten Blick wirkt die Maschine wie ein übergroßer Kühlschrank mit Sichtfenster. Doch kalt geht es darin ganz und gar nicht zu. Hinter dem Fenster liegt ein Formbett. Darin: ein feines, glatt ausgestrichenes, graues Pulver, aus dem Funken schießen wie bei einer Wunderkerze. Ein sechseckiges Lichtmuster bewegt sich über die Fläche. Nach längerem Hinsehen lässt sich eine regelmäßige Struktur erahnen, die anscheinend von einem unsichtbaren Stift in das graue Pulver geschrieben wird.

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„Unser ‚Stift’ ist ein Laserstrahl. Im oberen Teil der Prozesskammer wird er über einen Ablenkspiegel senkrecht nach unten auf das Pulverbett geleitet“, erklärt Dr. Olaf Rehme von Siemens Corporate Technology (CT) in Berlin. „Dort wo der Laser auftrifft, bringt er das Edelstahlpulver auf Schmelztemperatur, auf mehr als 1.500 Grad Celsius. Die feinen Partikel werden dadurch fest miteinander verschmolzen.“ Die Auslenkung des Lasers – also seine Schreibbewegung – steuert ein Computer, der die elektronische Blaupause für ein komplexes Werkstück aus Edelstahl liefert. Hat der Laser das regelmäßige Muster einmal komplett nachgezeichnet, senkt sich die Pulverplattform kaum merklich ab. Ein Schieber streicht eine neue, etwa 50 Mikrometer dicke Pulverschicht aus und der feurige Stift kommt erneut zum Einsatz. „Schicht für Schicht entsteht so eine dreidimensionale Struktur aus Edelstahl“, sagt Rehme.

Vom 3D-Druck zu Additive Manufacturing

Das Gerät steht in einem der zahlreichen Labore in der Siemensstadt in Berlin-Spandau. Kunden und Kooperationspartner von Siemens lassen hier in Langzeitstudien testen, welche ihrer Produkte und Produktbestandteile sich durch Laserschmelzen (Laser Melting) herstellen lassen. „Häufig wird der Begriff ‚3D-Printing’ synonym für alle derartigen Verfahren verwendet“, sagt Dr. Ursus Krüger, der Leiter der Forschergruppe. „In Fachkreisen wird aber allgemein von Additive Manufacturing gesprochen. Mit den sogenannten 3D-Druckern haben diese Verfahren nicht mehr viel gemein.“

Erste 3D-Drucker wurden bereits in den 1980er-Jahren entwickelt. Dabei wurden vor allem schnell aushärtende Kunststoffe verwendet, die Schicht für Schicht aufgespritzt schließlich ein dreidimensionales Objekt ergeben. Anwendung fanden solche Geräte vor allem im „Rapid Prototyping“, mit dem schnell und kostengünstig Prototypen und Designstudien hergestellt werden konnten. „Heute gibt es solche Kunststoff-Drucker bereits zu erschwinglichen Preisen ab 1000 Euro für den Hausgebrauch“, erklärt Krüger. „Bei Modellbauern und Hobbybastlern sind diese Geräte besonders beliebt.“

Und selbst 30 Jahre nach ihrer Erfindung sind 3D-Drucker noch gut für Schlagzeilen. Immer wieder wird in den Medien von Beispielen berichtet, die oft nur zu Demonstrationszwecken oder als PR-Aktion gedacht sind. So „druckten“ britische Ingenieure des EADS-Konzerns im Jahr 2011 ein komplettes Fahrrad aus Nylonpulver. Einige wenige Einzelteile aus dem Drucker wurden zusammengesetzt und mit Kette und Reifen versehen – das „Print-Bike“ ist stabil und leicht, fährt sich allerdings etwas wacklig.

Zur Industriereife gemausert

Auch für Keramik geeignet. Doch selbst abseits solch spektakulärer Beispiele ist klar: Die Technologie hat sich längst von ihren Prototyping-Wurzeln emanzipiert. Heute können laserbasierte Verfahren wie das Laserschmelzen nicht nur Kunststoffe, sondern auch Keramiken und zahlreiche Metalle wie Edelstahl, Aluminium und Titan verarbeiten. „Damit ist die Technik in einem für industrielle Anwendungen interessanten Bereich angekommen“, sagt Krüger. Nur kann man hierbei nicht mehr von Drucken sprechen, denn fast alle diese Verfahren verfestigen oder verschmelzen eine flüssige oder pulverförmige Matrix an spezifischen Stellen und lassen so ein Objekt entstehen.

Einige Firmen haben sich bereits auf die Herstellung von Hüftgelenken, Hörgeräten, Ersatzteilen für Autos oder Zahnersatz spezialisiert. So bietet die Bremer BEGO Medical GmbH die Produktion von Metallgerüsten für Kronen und Brücken mittels Additive Manufacturing an. Und auch in der Formel 1 und in der Luftfahrtbranche werden auf diese Weise bereits Bauteile hergestellt. Beim Vertrieb der dafür nötigen Anlagen sind deutsche Unternehmen wie EOS oder Concept Laser weltweit führend. „Doch die Konkurrenz schläft nicht“, weiß Krüger. „So hat US-Präsident Obama im Sommer 2012 die Gründung eines eigenen Forschungsinstituts angekündigt, das speziell im Bereich Additive Manufacturing Innovationen entwickeln soll.“ Bei dem geplanten National Network for Manufacturing Innovation – kurz NNMI – sollen neben staatlichen Behörden wie NASA, National Science Foundation und dem Verteidigungsministerium auch Universitäten und Konzerne wie Boeing und IBM beteiligt werden. Vorrangiges Ziel ist es, Boden gegenüber der heutigen Konkurrenz aus Europa und der von morgen – aus China, Japan und Korea – gut zu machen.

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