Sensorik Meilenstein der Automation: Vom Näherungsschalter zu Industrie 4.0
Es ist durchaus üblich, dass Produkte und Geschäftsmodelle sich im Laufe einer Firmengeschichte verändern. Bei Pepperl+Fuchs wird der stetige Wandel sogar aktiv vorangetrieben, indem immer neue Technologien – auch anderer Branchen – identifiziert und in neuen Produkten und Lösungen aufgegriffen und nutzbar gemacht werden.
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Die Automatisierer verstehen es wie keine andere Branche, Technologien anderer Branchen für ihre Kunden zu adaptieren und daraus ein Erfolgsmodell zu stricken. Pepperl+Fuchs hat diese Fähigkeit seit den 1950er Jahren perfektioniert. „Bestes Beispiel dafür ist die Erfindung des induktiven Näherungsschalters im Jahr 1958“, verweist Dr.-Ing. Gunther Kegel, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Pepperl+Fuchs, auf den Ursprung einer der bis heute wichtigsten Produktgruppen des Unternehmens. Damals wollte der Chemiekonzern BASF im benachbarten Ludwigshafen den bis dahin verwendeten mechanischen Kontakt ersetzen und suchte eine verschleißfreie und berührungslose Alternative. Da einer der beiden Gründer gelernter Rundfunkspezialist war, erinnerte man sich des Know-hows aus der Radiotechnik und entwickelte daraus den induktiven Näherungsschalter. Was zunächst nur als kundenspezifische Problemlösung für einen eigensicheren Stromkreis in der Chemie gedacht war, fand schnell seinen Weg in andere Branchen. Die schätzten ebenso wie die Chemieindustrie die nahezu unbegrenzte Lebensdauer dieses Schalters. Nachdem in den 70er Jahren die Automatisierung ihrer Prozesse zur Überlebensstrategie für viele Unternehmen wurde, wuchs auch der Bedarf an diesen Näherungsschaltern. Der damalige Coup von Pepperl+Fuchs: „Beide Gründer trauten sich, auf eine damals vollkommen neue Technologie – die Halbleitertechnik – zu setzen“, erklärt Dr. Kegel. Dieser Mut, aber auch das Gespür, frühzeitig neue Lösungen und Märkte zu erkennen und in diese vorzustoßen und auch außerhalb von Europa Präsenz zu zeigen, zieht sich seitdem durch die gesamte Firmengeschichte. Fast zeitgleich (1956) entwickelte Pepperl+Fuchs den ersten Magnetverstärker für eigensichere Stromkreise in explosionsgefährdeter Atmosphäre und legte somit schon früh den Grundstein für die heutige führende Position und Kompetenz im Weltmarkt des elektronischen Explosionsschutzes. Mittlerweile stellt das Unternehmen unter anderem die größte Bandbreite an Komponenten für die Fabrikautomation her. Darunter sind Sensoren der Wirkprinzipien induktiv, kapazitiv, Ultraschall und optoelektronisch, Drehgeber, AS-Interface, Identifikationssysteme RFID, Barcode und Data-Matrix-Code sowie Vision-Sensoren. Der induktive Näherungsschalter aber ist bis heute ein wichtiges Produkt im Portfolio.
Die Geschichte von Pepperl+Fuchs in Bildern:
Vom Elektronikhersteller zum Bereiter der Feldbustechnik
Nach und nach entfaltete sich das Unternehmen in den 70er Jahren zum Elektronikhersteller, und bediente sich zunehmend elektronischer Komponenten, die ursprünglich für andere Anwendungsbereiche wie Telekommunikation und Fahrzeugelektronik entwickelt worden waren und die man für sich nutzte, um die ersten elektronischen Trennschaltverstärker und andere Sensoren zu entwickeln. Folgerichtig hatte damals das Unternehmen, das sich bereits zu dieser Zeit mit Niederlassungen in England und Singapur auch international aufstellte, den Beinamen „Fabrik für elektronische Spezialgeräte“. In der nächsten technologischen Welle wurden die Bauformen und die Fertigungsverfahren verändert. „Mit jedem Schritt hat man diese Technologien genutzt, um auch seine eigenen Produkte voranzutreiben“, so Dr. Kegel. Die Konsequenz war, dass bereits Ende der 90er in vielen Produkten von Pepperl+Fuchs Mikrocontroller verbaut wurden. „Wir haben also mit der Digitalisierung vor 30 Jahren begonnen. Heute kommt die Vernetzung dazu, doch selbst dies ist nicht neu für uns.“ Schließlich war die beginnende Digitalisierung Ende der 90er Jahre zugleich der Start für das Zeitalter der Feldbustechnik.
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Safety-Lösung
Einfach sicherer: Absolut-Positionierung nach SIL 3/PL e mit nur einem Sensor
Einen Ausschnitt dieses Wandels zeigt auch die Entwicklung in der Prozessindustrie. Mit Remote I/O stellt Pepperl+Fuchs 1996 eine praxisgerechte Ergänzung zur traditionellen Schnittstellentechnik nach dem K-System vor. Sie ermöglicht die Übertragung einer hohen Zahl analoger und digitaler Ein- und Ausgangssignale über einen genormten Zwei-Draht-Bus. Dank Remote I/O ließ sich der Installationsaufwand drastisch reduzieren. Die Technologie gilt seit langem als betriebsbewährt und ist in das Bedienumfeld aller wichtigen Prozessleitsysteme und Steuerungen integriert. Wenig später erweiterte Pepperl+Fuchs sein Angebot um die Kombination dieser Technologie mit unterschiedlichen Explosionsschutzarten. Bis heute ist diese die einzige Alternative am Markt, die in Zone 1 und 2 eine gleich hohe Zahl von Ein- und Ausgangskanälen verarbeiten kann. Mit dem High-Power-Trunk-Konzept sind die Mannheimer wenige Jahre später abermals Vorreiter in der Feldbustechnik in explosionsgeschützten Bereichen. Dabei wird die Hauptleitung in erhöhter Sicherheit installiert und ist damit vor mechanischen Schäden und unbefugtem Öffnen geschützt. Die Energiebegrenzung erfolgt erst an der Anschlussleitung für das Feldgerät mithilfe von strombegrenzenden Verdrahtungskomponenten, wie zum Beispiel Feldbarrieren mit eigensicherem Ausgang. Der Vorteil dabei ist, dass die Stromversorgung ohne Energiebegrenzung bis weit in den explosionsgefährdeten Bereich hineinführen kann. Gleichzeitig ist die Arbeit am Feldgerät bei laufendem Betrieb möglich – ein unschätzbarer Vorteil in der Praxis.
Deutlicher globaler Fußabdruck
Ab 2000 spielte mehr und mehr das Thema Software eine gewichtige Rolle. Sinnbildlich dafür ist das damalige Joint Venture mit Endress+Hauser, das PC-Software erstellt, um Geräte einfach in Leitsysteme und Asset Management-Systeme zu integrieren. Vorbild war die Softwaretreiber-Technologie, mit deren Hilfe Peripheriegeräte an PCs per Plug-and-Play angeschlossen wurden. Dies sollte auch für Feldgeräte möglich und gleichzeitig eine Art Vorläufer der FDT-Technologie sein, mit der heute der unkomplizierte Anschluss von Feldgeräten an Leitsysteme möglich ist. Das Unternehmen Codewrights, an dem Pepperl+Fuchs nach wie vor beteiligt ist, wird in Zukunft weiter eine wichtige Rolle spielen. Schließlich werden die Sensoren zunehmend komplexer und benötigen weiterhin eine funktionierende und vor allem sichere Softwareumgebung. Während all dieser Jahre wuchs Pepperl+Fuchs kräftig, auch im internationalen Raum. Heute beschäftigt das Familienunternehmen 6.000 Mitarbeiter in mehr als 40 Tochtergesellschaften und verschiedenen Produktionsstätten weltweit. „Wie alle Mittelständler hinterlassen wir einen deutlichen globalen Fußabdruck“, fasst Dr. Kegel zusammen. Der Umsatz von 630 Mio. teilt sich dabei fast gleichmäßig auf Deutschland, USA, Asien und Europa auf.
Aufbruch ins Industrie 4.0-Zeitalter
Seit vor fünf Jahren der Begriff Industrie 4.0 geprägt wurde, hat sich auch in der Breite die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Internet-Technologie mit neuen Wegen und Potenzialen die Zukunft gehört. Schwerpunkt ist dabei die Vernetzung vom Shopfloor an die Office-Welt. „Wir müssen unsere Automatisierungssysteme darin einbetten und mehrdimensionale Verbindungen in das Internet der Dinge über unsere Software schaffen“, benennt Dr. Kegel die nächsten Aufgaben.
Diese Verknüpfung wird in drei Dimensionen erfolgen. Zunächst die horizontale Integration entlang der Wertschöpfungskette, in der vertikalen Integration sollen sämtliche Netzwerke verknüpft werden. Dies wird bis in die Geschäftsmodelle hinein reichen und weit über die Integration eines Warenwirtschaftssystem oder SAP-System hinausgehen. Zum Schluss gilt es, den Lebenszyklus zu betrachten, also von der Entwicklung bis zur Entsorgung eines Produktes, was sicher eine der größten Herausforderungen darstellt. Denn darunter fallen auch Aspekte, wie der Explosionsschutz oder der Umweltschutz. Gerade diese Herausforderungen verhindern zuweilen eine schnelle Umsetzung in das Industrie 4.0-Zeitalter. Beispiel gefällig? Bis allein die Physik für den Anschluss von Ethernet in explosionsgefährdete Bereiche (Stichwort: APL – Advanced Physical Layer) entwickelt wurde, waren sechs Jahre gemeinsamer Entwicklungszeit von 15 unterschiedlichen Firmen nötig.
Die großen „Player“ der Informations- und Kommunikationsunternehmen unterschätzen diese zusätzlichen Anforderungen des „shopfloors“ häufig. Explosionsschutz und funktionale Sicherheit erfordern eine „Echtzeitfähigkeit“, die über die Anforderungen kurzer Latenzzeit deutlich hinausgehen. Aber die großen Softwarehäuser dominieren den „Officefloor“ und die Automatisierer lernen sich auch in diesem neuen Marktumfeld zu etablieren. Das auf dem „shopfloor“ bezogene „domänspezifische“ Wissen ist dabei der wichtigste Beitrag, den die Automatisierer in die Digitalisierung einbringen.
Abwarten ist sowieso keine Option für Pepperl+Fuchs, vielmehr will man in den nächsten Jahren seine Produkte und Technologien gewohnt aktiv nach vorne treiben. Dazu gehört eine hauseigene digitale Agenda, die ganz unterschiedliche Bereiche abdeckt. Beispielsweise geht es darum, die nächste Mitarbeiter-Generation in diesen Prozess einzubinden, indem unter anderem neue Kommunikationsformen (Stichwort Social Media) genutzt werden. Gleichzeitig sollen alle Geschäftsprozesse digitalisiert werden, um weitere Effizienzpotenziale zu nutzen. So wurde z. B. der Angebotsprozess bei Pepperl+Fuchs inzwischen global harmonisiert und vollkommen digitalisiert - mit großem Erfolg. Sowohl Kunden als auch Mitarbeiter profitieren von der dadurch erlangten höheren Geschwindigkeit und Transparenz. Als dritten Baustein nennt Kegel die Etablierung intelligenter Fertigungsverfahren und smarter Produktionen. Dabei ist das Ziel die Losgröße 1, und zwar nicht, weil der Kunde nur noch Einzelstücke bestellt, sondern weil dies die Voraussetzung für eine hohe Flexibilität ist, die Ressourcen besser auslastet, die Durchlaufzeiten reduziert und eine bessere Qualitätssicherung erlaubt. Derzeit treibt das Unternehmen intern eine Menge solcher Projekte voran, nimmt sich aber heraus, einige nach einiger Zeit auch in die Schublade zu legen. „In manchen Projekten sind wir unserer Zeit einfach voraus, etwa beim Thema Tracebility. Das ist für einige Firmen sehr wichtig und wird angenommen. Andere erkennen aber noch nicht den Nutzen“, so die Erfahrung von Dr. Kegel. Für ihn ist die Digitalisierung kein Selbstzweck. Diese mache nur Sinn, wenn sich damit etwas besser oder günstiger produzieren lässt oder wenn es Pepperl+Fuchs voran bringt.
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Induktive Wegmesssysteme
Mit IO-Link bereit für die Smart Factory
Die Digitalisierung des eigenen Unternehmens ist aber nur der interne Aspekt. Die andere Seite wendet sich nach außen und konzentriert sich auf intelligente Produkte, Connectivity und Smart Collaboration:
Unter der Marke Sensorik 4.0 werden die eigenen Produkte für Industrie 4.0 fit gemacht und um neue ergänzt. Zudem werden Möglichkeiten geschaffen Sensoren einfach in digitale Netze einzubinden. Typisches Beispiel ist etwa die Smart Bridge-Technologie. Diese bietet einen erweiterten, funkbasierten Zugangskanal („Data Access Channel“) zu Sensor- und Aktuatordaten einer Maschine oder Anlage. Dieser Zugangskanal wird in die Zuleitung zwischen der Maschinensteuerung und einem IO-Link-fähigen Endgerät montiert.
An dieser Stelle greift das System das digitale Signal rückwirkungsfrei aus dem IO-Link-fähigen Gerät ab und überträgt es per Bluetooth entweder direkt an ein Mobilgerät wie ein Tablet oder einen anderen Bluetooth-Empfänger, der ein Gateway zum digitalen Netz darstellt. Dadurch wird ein sehr einfacher direkter Zugang zum Sensor und damit die permanente digitale Anbindung eines jeden Sensors möglich. Meist sind Sensoren tief in der Anlage verbaut, die Parametrierung ist also schon meist aus Platzgründen häufig sehr schwierig. Nun können diese Arbeiten via Tablet im Klartext erledigt werden. Dies funktioniert auch mithilfe von explosionsgeschützten Tablets (Tab-Ex Serie) oder Smartphones (Smart-Ex Serie) des Weltmarktführers Ecom, den Pepperl+Fuchs als weiteren Beweis seiner Wandlungsfähigkeit auf der Suche nach Innovationen zum Jahr 2017 übernommen hat, nicht nur in der Industrie, sondern auch in sensiblen Ex-Bereichen.
Smart Collaboration: Pepperl+Fuchs gründet Start-ups
Unabhängig davon, welche Entwicklungen vorangetrieben werden – die Zukunft gehört dem Smart Collaboration, zum Beispiel bei Themen wie der künstlichen Intelligenz oder Big Data Analytics. Auch die Zusammenarbeit mit Wettbewerbern wird zunehmen. „Man muss lernen, dass man mit Partnern am Markt wetteifern, aber im Labor durchaus zusammen arbeiten kann“, so die Erfahrung Dr. Kegels. Dass dies funktioniert, zeigen Standards wie ASI 5.0 oder APL.
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Pepperl+Fuchs und Lufthansa Technik
Start-up 3D.aero für Automatisierungslösungen für Flugzeugindustrie gegründet
Gleichzeitig treibt Pepperl+Fuchs mit bewussten Ausgründungen gerade solche Themen voran, die im normalen Unternehmensalltag untergehen würden. Erfolgreich entwickelt sich zum Beispiel Neoception, ein von Pepperl+Fuchs gegründetes Start-up-Tochterunternehmen, dass sich mit Konnektivität, Datenmanagement und neuen Software-Applikationen beschäftigt. Dagegen hat Espace 6D, ein weiteres Start-Up von Pepperl+Fuchs zum Ziel, mehr Wissen über die Dreidimensionalität zu gewinnen. Wichtig: In diesen Ausgründungen geht es in erster Linie nicht darum, Geld zu verdienen, sondern Erfahrungen zu sammeln und zu nutzen.
Ausprobieren gehört auch in Zukunft dazu
Ausblick: Nicht alles, was in den nächsten Jahren rund um Industrie 4.0 entsteht, wird Erfolg haben. Doch dies hält Pepperl+Fuchs nicht davon ab, nach neuen Ideen und Technologien zu suchen. Für Dr. Kegel gehört das Ausprobieren dazu. Selbst wenn einige Projekte in einer Sackgasse landen, kann einem diese Erfahrung keiner nehmen. Abgesehen davon lässt sich auch in einer Sackgasse über einen gewissen Zeitraum Geld verdienen. Und vielleicht ist wieder ein echtes Erfolgsmodell darunter, wie der induktive Näherungsschalter vor 60 Jahren, der den Zeitsprung von der anlogen Welt ins Digitalzeitalter mit Bravour überstanden hat.
* Die Autorin ist freie Fachjournalistin in Karlsruhe.
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