Maschinensicherheit Mit Safety Controller für Robotik von Koexistenz zu Kooperation
Neue Arten der Zusammenarbeit von Mensch und Roboter liegen im Trend. Massive Schutzzäune verschwinden – die Maschinensicherheit muss jedoch stets gewährleistet sein. Erfahren Sie, wie der Schritt von Koexistenz zur sicheren Kooperation möglich wird.
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Seit die ersten Roboter in der Industrie eingesetzt wurden, sind bereits fast 70 Jahre vergangen. In dieser Zeit ist die Robotik stark gewachsen. Dies spiegeln auch die Zahlen der International Federation of Robotics (IFR) wider: Bis 2020 sollen weltweit mehr als 3 Mio. Industrieroboter im Einsatz sein (1), 2014 waren es noch rund 1,5 Mio. Allein 2017 wurden 381.000 neue Roboter installiert. Das entspricht einem Zuwachs von 114 Prozent innerhalb von fünf Jahren (2). Dieser steigende Absatz lässt auch die Nachfrage nach adäquaten Sicherheitslösungen anwachsen.
Bisher gab es immer eine klare Trennung der Arbeitsbereiche von Mensch und Roboter. Roboter verrichteten ihre Arbeit hinter massiven Schutzzäunen. Der Zugang zum Gefahrenbereich, z. B. für Wartungsarbeiten, ist dann nach den Grundsätzen der Maschinensicherheit abgesichert. Speziell für die Robotik gibt es hier Sicherheitsschaltsysteme mit Zusatzfunktionen. Laut dem Hersteller von Sicherheitsschaltgeräten und -systemen Schmersal konnte mit einem Safety Controller ein großer Entwicklungsschritt bei der Sicherheit an Roboterarbeitsplätzen gemacht werden. Diese sicherheitsgerichtete Steuerung – die in Zusammenarbeit mit einem Roboterhersteller entwickelt wurde – überwacht alle Bewegungsachsen des Roboters sowie deren Geschwindigkeit – in Abhängigkeit von einer Betriebsart wie etwa „Sicher reduzierte Geschwindigkeit“.
Safety Controller für virtuellen Schutzzaun
Die zweikanalige mikroprozessorbasierte Sicherheitselektronik arbeitet zusätzlich zur betriebsmäßigen Steuerung und ist ihr übergeordnet. Die Elektronik führt somit Überwachungsfunktionen aus und erzeugt ausschließlich im Fehlerfall einen eigenständigen Steuerbefehl. Die Steuerung erkennt das Überschreiten einer sicherheitsrelevanten Geschwindigkeit, das Überfahren eines Positionsgrenzwerts und das Verlassen eines sicheren Haltepunkts (Safe Position). In diesen Fällen wird sofort ein sicheres Stillsetzen des Roboters veranlasst. Die Grenzwerte, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Betriebsart über sichere Eingänge aktiviert werden, lassen sich werksseitig und im Rahmen der Anlageninbetriebnahme voreinstellen. Das ermöglicht beispielsweise die Koexistenz von Mensch und Roboter bei reduzierter Arbeitsgeschwindigkeit des Roboters im Einrichtbetrieb. Neben der achsspezifischen Überwachung kann der Safety Controller von Schmersal auch die Überwachung der resultierenden Geschwindigkeit, z. B. des Tool Center Points (TCP), übernehmen, d. h. die Bewegung im Raum. Hierfür können mit der Steuerung sogenannte kartesische Nocken gebildet werden. Das sind virtuelle Arbeitsbereiche, innerhalb derer sich – je nach Definition – der Roboter oder das Roboterwerkzeug bewegen darf oder nicht. Die Funktionalität der kartesischen Nocken ermöglicht es darüber hinaus, Schutzumzäunungen kleiner und leichter zu bauen bzw. sie besser auszunutzen, weil die Nocken im Innenraum der Anlage einen vorgelagerten virtuellen Schutzzaun bilden. Sollte es beispielsweise durch einen Fehler in der betriebsmäßigen Robotersteuerung zur Verletzung des virtuellen Arbeitsraums kommen, erkennt der Safety Controller dies und schaltet die Maschine in den sicheren Zustand. Damit dient der tatsächliche Schutzzaun nur noch dazu, Menschen daran zu hindern, in den Arbeitsbereich des Roboters einzudringen – aber nicht mehr umgekehrt.
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Industrieroboter
Ab wann sich die Anschaffung eines Robotersystems lohnt
Kooperation von Mensch und Roboter wird möglich
Der Safety Controller ermöglicht die Koexistenz von Mensch und Roboter in einem Arbeitsraum. In der Praxis wird jedoch immer häufiger die Kooperation gewünscht – z. B. die sequentielle Kooperation, bei der Mensch und Roboter nacheinander in einem gemeinsamen Arbeitsbereich arbeiten. Hier kommen taktile Schutzeinrichtungen, sprich Sicherheitsschaltmatten, zum Einsatz. Sie ermöglichen die Überwachung ganzer Arbeitsbereiche und nicht nur ihrer Zugänge. Zusätzlich gewährleisten sie einen Hintertretschutz: Solange sich ein Bediener im Gefahrenbereich aufhält, kann die Maschine nicht gestartet werden. Sicherheitsschaltmatten detektieren den Menschen, der Safety Controller stellt sicher, dass sich der Roboter im Stillstand befindet. Bei der parallelen Kooperation arbeiten Mensch und Roboter gleichzeitig in einem gemeinsamen Arbeitsbereich. Direkter Kontakt zwischen beiden Parteien ist nicht vorgesehen und muss beispielsweise mit einer sicher trennenden Schutzeinrichtung gewährleistet werden. Dies kann mit elektromechanischen Sicherheitszuhaltungen oder optoelektronischen Sicherheitslichtgittern/-vorhängen realisiert werden.
Verschiedene Lösungen für Sicherheitskreise
Je nach Komplexität der Sicherheitskreise gibt es unterschiedliche Lösungen für die sichere Signalauswertung. Für kleinere Roboteranlagen bietet Schmersal multifunktionale Sicherheitsrelaisbausteine der Protect-SRB-E-Reihe an, die unterschiedliche Anwendungen abdecken und einfach zu konfigurieren sind. Laut Schmersal wird jedoch die modulare Sicherheitssteuerung Protect PSC1 häufiger bei der Absicherung von Roboterarbeitsplätzen eingesetzt. Sie ermöglicht die Programmierung komplexerer, individueller Sicherheitslösungen und wertet dabei nicht nur die sicheren Signale der angeschlossen Sensorik aus. Vielmehr kann sie auch nicht-sichere Diagnosesignale über ein Standardbussystem an eine Automatisierungssteuerung oder in die IT-Umgebung weiterleiten. Dafür steht ein universelles Kommunikationsinterface mit unterschiedlichen Feldbusprotokollen zur Verfügung.
Schutzeinrichtungen in Kommunikationssysteme einbinden
Dieses Spektrum wurde zudem um einen in das Interface integrierten OPC UA-Server erweitert. Der Server ermöglicht u.a. einen HMI-Zugang, IBS- und Service-Support-Dienste sowie Asset-Dienste im Sinne des Digital Asset Management (DAM). Damit lassen sich die Schutzeinrichtungen von Roboterarbeitsplätzen in übergeordnete, umfassende Kommunikationssysteme einbinden. So kann der Anwender beispielsweise umfangreiche Datensätze der Sicherheitssensoren maschinenlesbar und mit semantischer Beschreibung über das M2M-Kommunikationsprotokoll abrufen: Zustandsdaten der Sicherheitsausgänge, sicherheitstechnische Kennwerte, Informationen zur Lebensdauer der Sensoren, Bestellinformationen, Datenblätter, CAD-Daten und Bilder. Dies soll nicht nur die Transparenz im System erhöhen, sondern vereinfacht insbesondere auch die Wartung und Instandhaltung von automatisierten Anlagen.
(1) „Robots double worldwide by 2020“ – IFR vom 30.5.2018
(2) Industrial Robot Report 2018; hgg. von International Federation of Robotics
* Ulrich Bernhardt, Leitung Vertrieb Steuerungen, Schmersal Gruppe
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