Kabel & Stecker Quo vadis Ethernet?
Mit Industrie 4.0 wächst die Datenkommunikation rasant. Doch Tempo ist dabei nicht alles: Verstärkt werden auch einfache und kostengünstige Leitungen nachgefragt, ebenso Hybridleitungen.
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Das Palo Alto Research Center von Xerox gilt als Geburtsort vieler bahnbrechender Computertechnologien. Im Xerox PARC entwickelten Pioniere die erste grafische Benutzeroberfläche mit Mausbedienung und den Laserdrucker. Zu den Pionieren der ersten Stunde gehörte auch Robert Metcalfe. Als Doktorand am PARC erhielt er den Auftrag, die Firmenrechner zu vernetzen. Der Elektroingenieur entwickelte ab 1973 eine Netzwerktechnik, die Daten über den „Äther“ schickt – was nicht ganz korrekt war, denn es handelte sich um eine leitungsgebundene Technik, allerdings abgeleitet von einer Funktechnik. Trotzdem setzte sich der Name „Äther-Netz“ – englisch: Ethernet – durch und wurde zu einer der größten Erfolgsstorys der Computergeschichte.
Seit den 1990er Jahren ist Ethernet die unumstrittene Nummer eins in lokalen Datennetzen (LAN: Local Area Network). Krochen die Daten bei Robert Metcalfe noch mit 3 Megabit pro Sekunde durch die Leitungen, sind es heute bis zu 10 Gigabit pro Sekunde, neue Standards erreichen unter bestimmten Bedingungen sogar bis 400 Gbit/s. Über die Einhaltung der Standards für Ethernet wacht das Institute of Electrical and Electronics Engineers, kurz IEEE, auch I triple E ausgesprochen. Das gelingt sehr erfolgreich bei Anwendungen im Büroumfeld, etwa wenn PCs miteinander verbunden werden sollen. Wer ein LAN-Kabel in seinen Rechner steckt, kann in der Regel sicher sein, dass dieser mit einem anderen Rechner oder einem Internetrouter einwandfrei kommuniziert.
Wildwuchs bei Ethernet-Standards
Anders sieht es in Fabriken aus. Mittlerweile gibt es mehr als 20 Industrial Ethernet Systeme, die sich alle mehr oder weniger in technischen Details unterscheiden und daher inkompatibel sind. Hinzu kommen mehr als 50 Feldbus-Systeme wie Profibus oder CAN, die von Anbietern von Automatisierungstechnik favorisiert werden. Auch diese sind in der Regel untereinander nicht kompatibel. Feldbus-Systeme sind in Fabriken weit verbreitet, weil sie als robuster gelten. Sie übertragen kleinere Datenpakete als Ethernet, sind dafür aber echtzeitfähig. Das ist wichtig bei zeitkritischen Abläufen in Maschinen, etwa wenn ein Antrieb in Mikrosekunden auf das Signal eines Sensors reagieren soll. Das Bedienpersonal an der Maschine möchte außerdem sicher sein, dass die Maschine sofort stoppt, wenn man den roten Not-Aus Schalter drückt. Mit Ethernet ist das bisher nur bedingt möglich, wobei es Standardisierungsbestrebungen von IEEE gibt, die standardisierte Echtzeitfähigkeit auch in Ethernet zu implementieren.
Dass die Zukunft auch in Fabriken Ethernet gehört, legen die Marktdaten nahe. Industrial Ethernet wächst derzeit mit 22 Prozent pro Jahr, Feldbus-Systeme legen nur noch mit sechs Prozent zu. 2018 hat die Zahl der Installationen von Ethernet in Fabriken die von Feldbussen erstmals überholt. Die Ursache liegt in der zunehmenden Vernetzung und Digitalisierung in Zeiten von Industrie 4.0, die eine Auflösung der Automatisierungspyramide zur Folge hat.
Darunter versteht man die Ebenen in der Fabrikkommunikation, mit der Feldebene als unterster Ebene. Über der Feldebene liegen die Steuerungsebene, die Prozessleitebene, die Betriebsleitebene und zuoberst die Unternehmensebene mit ihren ERP-Systemen, allen voran SAP. Bisher hatten diese Ebenen unterschiedliche Funktionen, daher arbeiteten dort auch unterschiedliche Programme, Sensordaten mussten sich von einer Ebene zur nächsten nach oben hangeln, umgekehrt sickerten Planungsdaten ebenenweise nach unten. Das macht die Fabriksteuerung kompliziert und wenig agil, auf eine flexible Produktion mit Losgröße eins ist die klassische Automatisierungswelt nicht ausgelegt.
Flache Hierarchien in der industriellen Kommunikation
Mit der Auflösung der Automatisierungspyramide verschwinden diese Ebenen, die Kommunikation erfolgt in flachen Hierarchien. Jeder redet mit jedem – ERP-Systeme können zum Beispiel direkt auf Sensoren an der Maschine zugreifen und so erfahren, ob es zu einer Störung kommen könnte, die die Lieferfähigkeit beeinflusst. Das geht allerdings nur, wenn auch die Verbindungstechnik das Schubladendenken überwindet. Kein Wunder also, dass das im Büroumfeld etablierte Ethernet auch in der Produktion und Logistik Einzug hält, natürlich mit entsprechend robusteren Komponenten.
Solche Komponenten hat Lapp in seinem Portfolio. Traditionell dominierten dort Produkte für Feldbus-Systeme, mittlerweile finden Kunden dort alles was sie zur Vernetzung mit Industrial Ethernet benötigen – von den Kabeln über Stecker bis hin zu einbaufertig konfektionierten Leitungen aus dem Ölflex Connect Programm.
Zu den Highlights gehören zum Beispiel die Etherline PN Cat.6A FC mit 10 Gbit/s bei 500 MHz Bandbreite. Sie ist fast-connect-fähig dank fehlender Paarschirmung, Innenmantel und Trennkreuz, was eine schnelle und sichere Konfektion ermöglicht. Zudem ist die Leitung für den nordamerikanischen Markt zertifiziert. Dazu passt unter anderem das Epic MH Gigabit Datenmodul, ein Rechteckstecker, der durch seinen modularen Aufbau die Übertragung von Daten und Energie ermöglicht. Oder die robusten Etherline Access Switches zur Datenverteilung im rauen Industrieeinsatz.
„Unsere Produkte sind herstellerneutral und immer auf die Anwendung zugeschnitten. Das heißt, sie können für alle gängigen Kommunikationssysteme eingesetzt werden“, betont Guido Ege, Leiter Produktmanagement und -entwicklung bei Lapp.
Viele Kabel, ein Mantel
Lapp beobachtet den Markt für Industrial Ethernet seit vielen Jahren und hat zwei Trends ausgemacht, die künftig größere Bedeutung am Markt bekommen werden. Ein Trend sind Hybridleitungen, so genannte Ein-Kabel-Lösungen. Dabei handelt es sich um Leitungen, die Kabel unterschiedlicher Funktionen in einem Mantel vereinen, in der Regel sind dies Anschlussleitungen für Servoantriebe mit integrierten Feedbackleitungen zur Abfrage der Sensoren. Solche Hybridleitungen bietet Lapp zum Beispiel für das Hiperface DSL Motor-Feedback-System von Sick oder für ACUROlink von Hengstler an.
Ein zweiter Trend ist das Downsizing. Waren beim bisherigen Ethernet zwei oder vier Adernpaare notwendig, kann durch Single Pair Ethernet über ein Adernpaar bis zu 1 Gbit/s übertragen werden. Der Anwender profitiert von reduziertem Installationsaufwand und erzielt Platz- und Kostenvorteile. Die dazu notwendige Hardwareentwicklung auf der Chip-Seite ist in der Automobilindustrie vorangeschritten und kann adaptiert werden.
Kosten, Robustheit und die durch die geringeren Datenraten größeren möglichen Längen sprechen dafür, dass Single Pair Ethernet auch in der Industrie an Bedeutung gewinnen wird. Auch sonst setzt sich bei den Anwendern die Erkenntnis durch, dass nicht jeder Sensor mit einer 10GBit/s-fähigen Leitung angeschlossen werden muss. Eine Ethernet-Leitung mit Single Pair schafft zwar nur 1 Gbit/s, aber das reicht für viele Anwendungen auf der Feldebene aus. Die allermeisten Sensoren liefern geringe Informationsmengen, manche melden nur hin und wieder ein An/Aus-Signal.
Downsizing bei den Leitungen
Laut Unternehmensberatung Roland Berger steigt die Nachfrage nach Sensoren bis 2020 um 17 Prozent pro Jahr, gleichzeitig sinken die Preise jährlich um acht Prozent. Das wird die Nachfrage nach kostengünstigen Verbindungslösungen befördern. Allerdings sind Leitungen für Single Pair Ethernet noch nicht verfügbar, zumindest nicht für den Einsatz in der Industrie. Die Automobilindustrie setzt ähnliche Leitungen bereits in Fahrzeugen ein, für industrielle Anwendungen fehlen aber noch Standards. Um die kümmern sich neu gegründete Arbeitsgruppen. „Erste Serienprodukte für Single Pair Ethernet wird es in zwei bis drei Jahren geben, natürlich auch von Lapp“, verspricht Guido Ege.
Beim Wachstum rangiert Ethernet bei Verbindungslösungen für die Industrie nur auf Rang zwei. Mit einem Wachstum von 32 Prozent auf dem ersten Platz liegen Funktechnologien, allerdings bei einem geringen Marktanteil von sechs Prozent. WLAN, Bluetooth oder Mobilfunk haben dort Vorteile, wo es auf Flexibilität und Beweglichkeit ankommt wie beim Anschluss von Sensoren in großen Anlagen etwa in der Chemieindustrie oder bei mobilen Anwendungen. In Sachen Reichweite, robuster Datenverbindung, Energieeffizienz und insbesondere bei der Verzögerung der Informationsübertragung (Latenz) können Funktechniken den leitungsgebundenen Techniken nicht das Wasser reichen. Kabel sind auch weniger anfällig für mutwillige Störungen oder Angriffe von Hackern. Das wird sich auch mit neuen Standards wie 5G nicht ändern. Guido Ege: „Wireless hat seine Berechtigung, ist aber keine Bedrohung für leitungsgebundene Systeme, sondern eine Ergänzung bei speziellen Anforderungen.“
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