Engineering So reduzieren virtuelle Modelle die Inbetriebnahmezeiten
Bei der Modernisierung von Anlagen darf der laufende Betrieb nicht gestört werden und der Anlagenstillstand nur äußerst gering sein. Hierbei hilft der Digitale Zwilling: Mit virtuellen Modellen kann die Inbetriebnahme an realen Anlagen um bis 50 Prozent reduziert werden.
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Ein Retrofit von Maschinen und Anlagen soll zu mehr Effizienz führen sowie die Anlagenverfügbarkeit erhöhen. Doch bringt die Modernisierung oft auch unvorhersehbare Risiken. Digitale Modelle können bei der Verjüngungskur eine wichtige Unterstützung sein, denn mit ihnen kann ein Migrationskonzept erstellt werden, das die Produktionsbedingungen berücksichtigt und zeigt, wie die heutige Situation ist und wie die gewünschte Zielsituation sein soll. Der Erlanger Automatisierungsspezialist Heitec analysiert dafür z.B. Anlagen vor Ort, nimmt Kennlinien auf, skizziert die Anlagengeometrie und erstellen daraus ein virtuelles Modell, an dem die Steuerungssoftware getestet, optimiert und vor den einzelnen Umbauphasen virtuell in Betrieb genommen werden kann. Das virtuelle Modell bildet dabei die wesentlichen funktionalen Gegebenheiten der Anlage in Echtzeit nach. Auf diese Weise kann die neue Steuerungs-Software getestet werden, ohne die reale Anlage zu blockieren. Der Inbetriebsetzer macht vor dem Rechner genau das, was er auch bei der Inbetriebnahme an der realen Maschine tun würde. Dies reduziert die Inbetriebnahmezeiten an der realen Anlage um bis zu 50 Prozent. Mit diesem Konzept können das alte und das neue System parallel betrieben und die Umbauten schrittweise durchgeführt werden.
Parallelwelt: In Echtzeit testen und steuern
Umfangreiche Bibliotheken mit 3.600 verschiedenen virtuellen Komponenten wie Robotern, und Förderbändern über Automatisierungssysteme bis zu Sensoren und Aktoren, erleichtern das Modellieren der Prozesse. Mit dem virtuellen Modell können Automatisierungskonzepte sowohl in ihrer Funktionalität als auch in ihrem Zeitverhalten auf die Millisekunde genau getestet und Prozessabläufe optimiert werden. Zudem können mit dem Konzept der realen Inbetriebnahme am virtuellen Modell alle gegenwärtigen und künftigen Betriebsabläufe in der entsprechenden Produktionsumgebung in Echtzeit getestet und mit der Original-Automatisierungssoftware gesteuert werden. Auf diese Weise erhöht sich die Auslieferungsqualität der Software für Automatisierungs- und Antriebslösungen und Konstruktions- und Ablauffehler werden frühzeitig erkannt. Durch das Parallelisieren der Prozesse minimiert sich die Projektlaufzeit.
In einer Großgießerei werden die Gießformen in einer Auspackstrahlstation automatisch vom Sand befreit. Dazu werden die Gussteile auf einer Hängeförderanlage in Förderkörbe geladen. Die 36 Förderkörbe fahren mit einem eigenen Antrieb in die sogenannte Strahlkammer. Dort werden die Gussteile mit winzigen Stahlkügelchen (Strahlmittel) beschossen, die die Sandreste entfernen. Strahlmittel und Sandreste werden dann durch Entsorgungsrinnen im Boden der Strahlkammer in die Strahlmittel-Aufbereitung gefördert. Dort wird das Strahlmittel von den Sandresten getrennt. Die Stahlkügelchen kommen zur Wiederverwendung in ein Silo. Der Sand wird regeneriert und dann der Formanlage zur Wiederverwendung zugeführt. Nach dem Strahlvorgang transportiert der Hängeförderer die noch heißen Gussteile durch eine Kühlstrecke. Die abgekühlten Teile werden dann von den Mitarbeitern mit Hilfe von Hallenkränen händisch entladen. Durch die große Produktvielfalt ist ein automatisches Be- und Entladen der Förderkörbe, z.B. durch Roboter, nicht machbar. Ziel der Modernisierung dieses Produktionsablaufs war es, die vorhandenen Simatic S5-Steuerungen der Hängeförderer durch moderne Simatic S7-1200 Steuerungen zu ersetzen, die vorhandenen Motoren mit Frequenzumrichtern auszurüsten und eine Infrarotfernbedienung zu integrieren. Gleichzeitig sollten in den Schaltschränken die Simatic S5-Steuerungen durch Simatic S7-1515F Sicherheitssteuerungen ersetzt werden. Als Zeitfenster standen für die Modernisierung zwei Wochen in den Betriebsferien zur Verfügung. Mit dem Retrofit wollte der Kunde eine garantierte Anlagenverfügbarkeit von 98 Prozent sowie eine Erhöhung der Flexibilität der Anlage, bei der sich die Leistung an die Auslastung anpassen lässt. Gleichzeitig sollte sich durch die Optimierung des Anlagenbetriebes der Verschleiß verringern und ein neues Störmeldemanagement und eine verbesserte Visualisierung Fehler und Störungen detaillierter angezeigt werden. Mit den neuen mobilen Bedienpanels sowie mit der Infrarot-Fernbedienung sollte auch das Anstecken der Kabelbedienung in vier Metern Höhe wegfallen.
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