Kommunikationstechnologien Es kann nicht nur eine geben
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Die Zunahme mobiler Systeme und die Wandlung von statischen Produktionsanlagen hin zu einem modularisierten Fabrikaufbau begünstigen den Einsatz drahtloser Kommunikationstechnologien. Ist gut beraten, wer sich in Zukunft allein auf 5G verlässt?

Die Fabrikautomatisierung verlagert sich aktuell in Richtung intelligenter und vernetzter Smart Factory, unterstützt durch die Digitalisierung, kurz Industrie 4.0. Die Vision ist eine Fabrik der Zukunft, die extrem flexibel ist und sich an verschiedene Herausforderungen anpassen lässt, einschließlich einer großen Produktvielfalt und Flexibilität bis zur Losgröße 1. In einer solchen Umgebung nimmt die Notwendigkeit von Mobilität zu, beispielsweise über fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF). Die Kooperation zwischen Mensch und Maschine (z. B. intelligente Logistiklösungen) helfen, die Produktionsanlagen von morgen flexibler und effizienter zu gestalten. Dazu gehört auch eine engmaschige Kommunikation, die all diese Systeme miteinander verbindet. Letztlich ist es erforderlich, die gesamte Wertschöpfungskette nahtlos in das Kommunikationsnetz der Fabrik zu integrieren. Aktuell verfügbare drahtlose Kommunikationssysteme sind jedoch oft nicht dafür ausgelegt, die technischen Anforderungen in der Smart Factory der Zukunft zu erfüllen.
Mobile Systeme von SEW- Eurodrive – fahrerlose Transportfahrzeuge, englisch: Automated Guided Vehicle (AGV) – sind heute hauptsächlich per WLAN vernetzt. Aber WLAN wird nicht in der Lage sein, künftige FTF-Anwendungsfälle in einer flexiblen Produktionsumgebung zu ermöglichen. Mobile Roboter, massive drahtlose Sensornetzwerke und mobile Bedienpanels mit Sicherheitsfunktionen sind Beispiele für Anwendungen, deren Kommunikationsanforderungen WLAN nicht stemmen kann.
Matrix-Produktion als künftiger Standard
Matrix-Produktion ist ein mögliches Konzept für die Fabrik der Zukunft. Sie teilt die automatisierte Produktion von Waren in die für die Herstellung erforderlichen Schritte auf und weist diese Produktionszellen (PZ) zu. Werkstücke werden einer Produktionszelle zugeführt, wo sie einem bestimmten Prozess (Umbau, Zusammenbau, Prüfung) unterzogen werden. Anschließend verlässt das modifizierte Werkstück die Zelle. Verändert man den Weg des Werkstücks durch die Fabrik, lässt sich ein anderes Produkt herstellen. Diese ausgesprochen flexible Idee erfordert eine präzise Orchestrierung aller Prozesse.
Für die Warenbewegung zwischen den Produktionszellen sorgen Mobile Assistenten (MA) und intelligente Logistiksysteme. Als weiterentwickelte Versionen des klassischen FTF sind sie in der Lage, die hohen Anforderungen des Matrix-Produktions-Konzeptes zu erfüllen. Dabei übernehmen sie verschiedene Aufgaben wie den Transport, die Bearbeitung von Waren oder die direkte Unterstützung des Menschen.
1.000 Teilnehmer in 100 Zellen auf 10.000 m2
In einer beispielhaften Matrix-Produktion müssen bis zu 1.000 mobile Teilnehmer und 100 Produktionszellen auf einer Fläche von 10.000 m² an die drahtlose Kommunikation angebunden werden. Anwendungsfälle in der Fabrik der Zukunft sind daher sehr vielfältig und haben unterschiedliche Ziele. Ein drahtloses Sensornetzwerk beispielsweise überträgt wenige Informationen, benötigt jedoch eine Kommunikationsmethode mit geringem Energiebedarf. Bedienpanels erzeugen unvorhersehbare Datenraten. Übertragen lassen sich E-Mails, Videos oder Dokumente.
Das genutzte Kommunikationsmedium muss mit diesen unterschiedlichen Beanspruchungen effizient umgehen. Auch die Kommunikation der mobilen Assistenten kann sehr heterogen sein. Als Beispiel soll hier die Fernsteuerung durch einen Operator dienen. Von dem mobilen Assistenten zum Operator müssen Sensordaten übertragen werden, die einen hohen Durchsatz benötigen, z. B. ein Live-Video. In entgegengesetzter Richtung überträgt der Operator Bewegungsbefehle an den mobilen Assistenten, wobei es nicht zu Paketverlusten kommen darf. Für Up- und Down-Link wird eine geringe Latenz benötigt, damit der Operator den mobilen Assistenten steuern kann.
Grenzen heutiger Kommunikationstechnologien
Die Herausforderungen, die ein Anwendungsfall an das Kommunikationssystem stellt, hängen von der Gesamtheit seiner Eigenschaften ab. Somit stellt das drahtlose Sensornetzwerk keine Herausforderung aufgrund der Datenrate dar, sondern vielmehr aufgrund der Anzahl der Geräte, wobei nur für eine Teilmenge der Knoten niedrige Latenzzeiten und genaue Taktzeiten erforderlich sind.
Bei den mobilen Bedienpanels gibt es eine andere Herausforderung: Innerhalb eines Gerätes kann es sowohl datenintensive als auch latenz- und zuverlässigkeitskritische Anwendungen geben. Hier vermittelt ein Gleichzeitigkeitsfaktor einen guten Eindruck von der durchschnittlichen Datenrate, aber es werden auch Spitzenwerte auftreten. Dasselbe gilt für den Gleichzeitigkeitsfaktor in Anwendungsfällen mit Mobilen Assistenten. Oft ist semi-persistentes Scheduling nötig, um geringe Latenzen für manche Anforderungen zu sichern. Bei Nicht-Nutzung führt dies jedoch zu nicht oder ineffizient genutzten Ressourcen.
Unter Berücksichtigung aktueller Feldversuche kann die 5. Mobilfunkgeneration nur knapp die Anforderungen unserer Beispiel-Fa- brik mit 10.000 m² erfüllen. Geht man sogar von Spitzenlasten im Netzwerk aus, reichen die Ressourcen nicht aus. Zukünftige Feldversuche und die Leistung von Release 16 und 17 des 5G-Standards sind in diesem Zusammenhang von großem Interesse.
5G zieht schon jetzt viel Aufmerksamkeit auf sich. Die ersten Implementierungen in Fabrikhallen laufen an. Die generelle Frage nach Wahl der richtigen Technologie für jeden Anwendungsfall muss immer einzeln beantwortet werden. Die Lösungen der Zukunft können nur durch eine enge Kooperation zwischen Industrie und Forschung entstehen.
[1] Website Schaufensterfabrik
[2] Umfassendere Veröffentlichung zum gleichen Thema (in Englisch)
* Eike Lyczkowski, Andreas Wanjek und Christian Sauer sind Mitarbeiter des Fachkreises „Funk und Navigation“ bei SEW-Eurodrive in Bruchsal. Die Autoren danken Prof. Dr. Wolfgang Kiess von der Hochschule Koblenz für die Unterstützung.
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