Logistik Schnell sein und dabei noch flexibel bleiben
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Der Online-Handel floriert, muss aber gleichzeitig auch rasch reagieren und auf neue Herausforderungen eingehen können. Dementsprechend ändern sich auch die Anforderungen an die Maschinen und Anlagen für die Logistik.

Der enorme Boom des Onlinehandels zieht Spuren. Bereits vor der Pandemie verzeichnete die Branche zum Teil Wachstumsraten von 30 Prozent, jetzt bestellen Kunden noch mehr, regelmäßiger und schneller. Stefan Holzner, Senior Technical Consultant & Patents bei dem Spezialisten für Intralogistik- und Robotiklösungen sowie Sonderfördertechnik TGW Robotics, bekommt dies hautnah mit: „Die Veränderungen sind vielfältig und haben einen großen Impact. Viele Spediteure kümmern sich schon längst nicht mehr nur um Spedition." Vielmehr betrieben sie zunehmend Distributions- und Logistikzentren.
Neue Geschäftsmodelle, andere Anlagen
In solchen Fällen stellt TGW Teams vor Ort zur Verfügung, um die Anlage zu betreiben, da anfangs oftmals den Spediteuren das notwendige Wissen dazu fehlt. Holzner erläutert weiter: „Es entstehen auch neue Geschäftsmodelle, die ganz andere Prozesse vorsehen, als wir bis jetzt kannten – denken wir an einen Lebensmitteleinkauf, der bis an die Haustüre geliefert wird. Anders als früher reicht die Lieferkette hier vom Hersteller direkt bis zum Kunden. Dabei geht es um die Flexibilität in der letzten Meile – diese möchten Hersteller selbst in der Hand haben, was dazu führt, dass viele Marken nun auch selber anliefern, sogar mit eigenen Fahrzeugen.“ Denn auch die Erwartungshaltung der Kunden hat sich geändert – und zwar immer mehr in Richtung „heute bestellt, gestern geliefert“.
Ein weiterer Trend, den Holzner beobachtet, ist die steigende Häufigkeit an Verkaufspeaks im Online-Handel. So finden Black Fridays und Super Sales immer häufiger statt. Diese Anforderungen treffen auch TGW Robotics – und ihre Business Partner. Das Unternehmen und der österreichische Spezialist für Automatisierungslösungen Keba arbeiten seit 2017 zusammen. Im ersten Projekt, das beide Unternehmen zusammenbrachte, ging es darum, einen Single-Pick-Ansatz beim automatischen Kommissionieren zu optimieren. Zwei Pick-Prozesse sollen gleichzeitig stattfinden, indem zwei Quell- und Zielkisten gleichzeitig erkannt werden – der Roboter fährt ununterbrochen, die Kistenerkennung findet im Wechsel statt. „Dazu brauchten wir eine eigens konstruierte Achslösung, um die sechs Achsen im Raum zu koordinieren und zu bewegen, ohne ruckeln, trotz der hohen Geschwindigkeiten", berichtet Martin Drexler, bei Keba im Vertrieb zuständig für TGW Robotics. „Die Herausforderung dabei war die spezielle Anordnung der mechanischen Achsen, um den viereckigen Bewegungsraum optimal abzudecken, auch die Randbereiche.“
Einen Pick unter vier Sekunden abschließen
Die Lösung, einen größeren Standard-Roboter zu verwenden, kam nicht in Frage. Ein solcher wäre zwar in der Lage, die gesamte Strecke abzufahren, jedoch wäre er durch die Größe der Bewegungsabläufe undynamischer geworden, wodurch die verlangte Präzision und Steuerung nicht mehr gegeben wären. Der Automatisierungsspezialist war in der Lage die Lösung, die „Rovolution“ getauft wurde, extrem kompakt zu bauen, wodurch die Abstände zum Schutzzaun sehr gering gehalten werden konnten. Holzner resümiert: „Durch den Keba-Ansatz waren wir in der Lage, einen gesamten Pick unter vier Sekunden abzuschließen – ein hervorragender Wert!“ Zu den Anforderungen gehörte auch ein leicht zu programmierendes System, mit Standard-Programmiersprachen (IEC) und einer hohen Flexibilität für Erweiterungen und Add-Ons, damit auch kundenspezifische Software integriert werden kann. Drexler ergänzt: „Darüber hinaus war der Betrieb unter einer Siemens-Steuerung Grundvoraussetzung, was wir mit der Profinet- Slave Option in unserem Motion Controller lösten.“
Verpackungskartons nachhaltig reduzieren
Bei den Verpackungskartons stehen den Spediteuren in der Regel eine Handvoll Grundformate zur Verfügung – selten ist eine der Standardgrößen passend. Also werden die Kartons nach dem Befüllen auf Maß geschnitten oder in der Höhe reduziert. Georg Trenker, Produktmanager für Kartonmaschinen (PackChain) bei TGW Robotics in Deutschland schildert: „Das Thema Kartonagen brennt den Spediteuren unter den Fingernägeln. Denn je besser sie es schaffen, die Größe der Verpackung an den Inhalt anzupassen, desto weniger Platz wird im Lkw gebraucht. Diesen Wert kann man eins zu eins weiterleiten. Obendrein überlegt jeder Spediteur mit weniger Grundformaten auszukommen.“
Weniger Volumen, geringere Kosten
Das Ziel des Projekts war es, 20 Prozent weniger Volumen zu kreieren, was 20 Prozent weniger Platz im Lkw bedeutet. Trenker: „Das ist ein enormes Potenzial mit einer extremen Wirkung auf die Kosten – und dabei geht es nicht nur um weniger Volumen. Wir haben uns auch als Ziel gesteckt, das Füllmaterial zur Gänze zu eliminieren.“ Denn beim Füllmaterial spielt nicht nur der Nachhaltigkeitsgedanke mit, es geht dabei auch um das Erlebnis, wenn man eine Kartonage öffnet: Was finde ich wie vor und wie lange dauert es, bis ich die bestellte Ware sehe. Das Auge kauft und freut sich also mit. „Unser Kartonhöhenreduzierer ist nun in der Lage, bis auf 50 Millimeter herunterzuschneiden", berichtet der Produktmanager. „Das verringert auch die Versandkosten, denn in manchen Ländern, wie zum Beispiel in der Schweiz, gibt es einen großen Preissprung, wenn die Höhe eines Pakets 50 Millimeter überschreitet. Ein weiterer Arbeitsschritt, für welchen TGW Robotics eine Kundenlösung brauchte, ist das Aufschneiden der Kartons nach der Anlieferung im Wareneingang.
Kartons öffnen: viel Handarbeit
„Die besonderen Herausforderungen hier sind die vielen manuellen Arbeitsschritte die trotz Schutzmaßnahmen eine hohe Verletzungsgefahr mit sich bringen“, sagt Holzner. Die Entwickler aus Stephanskirchen in Bayern arbeiteten ein Konzept zum vollautomatischen Aufschneiden der Kartons aus. Das Ziel: einerseits null Verletzungen, andererseits eine höhere Geschwindigkeit, indem manuelle Schritte entfallen – auch hier beträgt die Taktzahl 900 Kartons pro Stunde. Holzner: „Was diese Aufgabe besonders knifflig machte, war die Tatsache, dass es bei den gelieferten Kartons kaum Standards oder Normen bezüglich der Größen gibt und die Kartons durch den Transport auch verformt und/oder beschädigt sein können.“ Die Lösung, die TGW Robotics hier anbietet, stellt sicher, dass jeder Karton vor dem Öffnen vermessen wird. Dazu werden die Achsen dementsprechend auf die jeweilige Kartonabmessung angepasst. Ein sogenannter Dimensionierer vermisst über ein Kamerasystem die Abweichungen und Unregelmäßigkeiten in Länge, Breite, und Höhe, sodass die Messer den Deckel der Kartons hochpräzise aufschneiden können, ohne dabei den Inhalt zu beschädigen.
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Zugangsberechtigung
Safety und Industrial Security an der Maschine ganzheitlich denken
Auch beim Kartonhöhenreduzierer und beim Kartonöffner ging es darum, viele Achsen gleichzeitig fahren zu lassen. Holzner berichtet: „Standard-Industrieroboter waren nicht geeignet und wir brauchten eine eigene Portallösung, die gleichzeitig flexibel und kompakt genug ist, unsere Ziele zu erreichen.“ Bei 900 Takten keine leichte Aufgabe. „Die Antriebe von Keba sind wesentlich kleiner als die der Konkurrenz – die kompakte Bauweise ist einzigartig, ohne die hätten wir umkonstruieren müssen“, sagt Holzner. Umkonstruieren hätte auf jeden Fall bedeutet: größer und robuster zu bauen, was auf Kosten der Dynamik, Präzision und Geschwindigkeit gegangen wäre und mehr Platz in Anspruch genommen hätte. Drexler ergänzt: „Für den Kartonhöhenreduzierer und den Kartonöffner bedeutet das in Summe 19 Achsen. Durch das Multi-Achssystem kann diese Anwendung sehr kompakt umgesetzt werden. Steuerung, 10-KW-Versorgungseinheit und sieben Achsregler mit jeweils drei Achsen haben einen Platzbedarf im Schaltschrank von nicht einmal 50 Zentimeter Gesamtbreite!“
TGW Robotics hat entschieden, alle Anlagen im Bereich Kartonverpackung mit Keba-Technologie zu versehen. Dazu gehören neben dem Kartonhöhenreduzierer und dem Kartonöffner, die bereits umgestaltet worden sind, auch der Kartonauffalter und der Kartonverdeckler. Holzner blickt in die Zukunft: „Darüber hinaus ist eine Anwendung im Bereich Gantry-Systeme ebenfalls denkbar. Hier werden auch komplexe Bewegungen im Raum abgefahren und wir sind immer wieder mit Leistungsbeschränkungen durch die Verfahrbewegung konfrontiert.“
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Energiemonitoring
„Wir schaffen Transparenz bei den Verbräuchen“
Smartes Simulationsmodell als Zugabe
Wichtig für TGW Robotics ist, Wissen zu transferieren – einerseits innerhalb der Gruppe, aber auch zum Kunden hin. Holzner erläutert: „Aus internen Überlegungen, wie man am besten die neue Philosophie schult, mit welchem Roboter das idealerweise gemacht wird, entstand seitens Keba die Idee, einen Simulator zu bauen.“ So kann ohne große Investition in einen bestimmten Robotertypen flexibel international geschult werden. Die Keba-Mitarbeiter erhielten die 3D-Daten, die sie visuell darstellten. Das Simulationsmodell erlaubt nun, Bewegungsmodelle zu programmieren und diese zu simulieren beziehungsweise weiter zu optimieren. Auch Life-Time Services, Wartung und der Austausch von Achsen lassen sich simulieren. Im ersten Schritt schult der Robotikspezialist mit dem Simulationsmodell intern, um Keba-Technologie zu vermitteln. „Später schulen wir mit diesem Simulationswerkzeug auch Kunden“, so Holzner.
Maßgeschneiderte Lösungen
Am Markt vorhandene Standardlösungen waren für TGW Robotics keine Option. Sie brauchten daher einen Partner, der maßgeschneiderte Lösungen entwickelt und bestimmte Voraussetzungen erfüllt. „Keba punktet durch starke technische Ansprechpartner die nicht permanent wechseln. Wenn man anruft, bekommt man den richtigen Ansprechpartner vermittelt, der eine Lösung vorschlägt. Bei anderen Firmen bekommt man ein Ticket“, beschreibt Holzner die Zusammenarbeit. Was TGW ebenfalls an dem Partner schätzt – neben der Tatsache, dass er in der Lage war, die Aufgabe komplett lösen zu können – ist die hohe Flexibilität und die sehr gute Unterstützung. Holzner: „Auch die geografische Lage spielt eine wichtige Rolle – wir erhalten schnell Unterstützung und die Techniker reden auf Augenhöhe miteinander“.
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