Gehäusesysteme Was ist ein 19-Zoll-Aufbausysstem? Herkunft, Normen und Struktur
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Das 19-Zoll Aufbausystem ist ein umfangreiches mechanisches System, welches nach dem Baukastenprinzip aufgebaut ist. In unserem Artikel geben wir eine grobe Übersicht darüber, wo die 19-Zoll-Technik herkommt und was sich dahinter verbirgt. Es soll den Einstieg in das komplexe Thema erleichtern.

Ob bei der ersten Grundsteinlegung vor über einem Jahrhundert die Urväter des 19-Zoll-Aufbausystems sich dem bewusst waren, dass aus der einfachen Gerätefrontplatte heute das weitverbreitete modulare Aufbausystem entstehen würde? Es muss in den Vereinigten Staaten gewesen sein, als zum Ende des 19. Jahrhunderts die 19-Zoll-Frontplatte ihren ersten Einsatz hatte. Denn das 19-Zoll Aufbausystem wurde nach der Gerätefrontplattenbreite benannt, die genau 19-Zoll, also 482,6 mm breit ist.
Wie es allerdings zu dem 19-Zoll-Breitenmaß der Frontplatte kam, dazu gibt es verschiedene Theorien. War es vielleicht die Gerätefront in der Telefonvermittlungsstelle, bei der die Telefonistin, das sogenannte „Fräulein vom Amt“ ihre manuellen Umsteckarbeiten schnell und gut erreichbar durchführen konnte? Oder waren es Schaltgeräte für die Signaltechnik der Bahn? Vielleicht doch die eingeschränkte Öffnungsgröße der U-Bootluken oder einfach nur ein Zufall? Die Antwort wird wohl ein Rätsel bleiben.
Fest steht, dass die ersten Festlegungen der Frontplattenmaße in US-Werknormen stattfanden und die 19-Zoll-Frontplatte nach dem 2. Weltkrieg durch Importe immer häufiger nach Europa gelangte. 1964 wurde die 19-Zoll Frontplatte in Deutschland mit der DIN 41494 in Form von Umrechnungsblättern offiziell beschrieben. Auf die DIN 41494 folgte 1969 die IEC 297.
19-Zoll-Aufbausystem – bewährt und weitverbreitet
Heute spezifiziert die IEC 60297-3 den mechanischen Aufbau des 19-Zoll-Aufbausystems mit über 10 Teildokumenten, in denen die Eigenschaften von Komponenten wie Leiterkarten, Baugruppenträgern, Gestellen (Racks) und Schränken beschrieben werden.
Das 19-Zoll-Aufbausystem wird in nahezu allen elektronischen Bereichen eingesetzt, wie zum Beispiel in der Industrie oder bei der Audio-, Bahn-, Informations-, Medizin-, Militär- und Verkehrstechnik. Normungsgremien arbeiten noch heute an neuen Standards und Leitlinien, um das 19-Zoll-System auf dem aktuellen Stand der Technik zu halten und die Interoperabilität zu gewährleisten.
Aufbau und Struktur – die Norm IEC 60297-3
Das 19-Zoll-Aufbausystem stellt im Prinzip ein Gerätebaukasten dar, welches miteinander kombinierbare mechanische und elektromechanische Komponenten umfasst.
In der IEC 60297-3 wird das Aufbausystem in vier zueinander kompatiblen Systemebenen unterteilt. Vorteil: Komponenten und Gerätegruppen verschiedener Hersteller lassen sich durch genormte Schnittstellenmaße miteinander kombinieren und zu einer Funktionsgruppe zusammenfassen. Um diese modulare Aufbaustruktur sicherzustellen, wurden bei der Normung Funktions- und Schnittstellenmaße festgelegt.
Außerdem dienten als Grundlage für eine hohe Marktakzeptanz, existierende und weit verbreitete elektronische Bauteile. Ein Beispiel hierfür ist die Leiterkartengröße in Europakartenformat 100 x 160 mm², die in Deutschland eines der gebräuchlichsten Kartenformate darstellt.
Die IEC60297-3 definiert in die Ebenen 1 bis 4:
- 19-Zoll-Breite der Systemfrontplatte;
- Einbauräume mittels einer Breitenangabe in TE (Teilungseinheiten = n * 5,08 mm);
- Höhenangabe in HE (Höheneinheiten = n * 44,45 mm);
- In der 4. Ebene werden zusätzlich Schrankaußenmaße mit Breitenschritten von n*300 mm, Tiefenschritten von n*200 mm und Höhenschritten von n* 200 mm angegeben.
In der IEC 60297-3 wird das Aufbausystem in vier zueinander kompatiblen Systemebenen unterteilt.
Das Ebenen-Modell in der Aufbautechnik
Systemebene 1: Die Ebene 1 enthält alle Komponenten, die für den Aufbau von Baugruppen benötigt werden. Das sind zum Beispiel Leiterkarten, Kartenhalter, Teilfrontplatten inkl. Griffe und Steckverbinder.
Die Leiterkarte wird in der IEC 60297-3-101 genauer beschrieben. Die Höhe beginnt mit 100 mm und baut in 44,45 HE Schritten auf. Die Tiefe der Leiterkarte beginnt mit 100 mm und wird in 20 mm Schritten erweitert. Die gängige Leiterkartengröße ist 100 x 160 x 1,6 mm (Europakartenformat). Für die Befestigung der Leiterkarte an der Teilfrontplatte, bieten sich spezielle Kartenhalter an deren Befestigungsbereiche durch die Norm klar vorgegeben werden.
Teilfrontplatten sind ab 3 TE erhältlich und haben eine Höhe von 2 bis 12 HE. Sie sind mit Verschraubungspunkten versehen und lassen sich optional mit unverlierbaren Schrauben, Griffen aus Aluminium oder Kunststoff und Kartenhaltern bestücken.
Hersteller von 19-Zoll-Komponenten, wie Fischer Elektronik aus Lüdenscheid, bieten zusätzliche Möglichkeiten für eine kundenspezifische Bearbeitung der Teile an. Hierzu zählen CNC-Bearbeitungen, etwa für LEDs oder Displays, leitfähige Oberflächen oder individuelle Bedruckungen.
Systemebene 2: Auf der Ebene 2 sind die aus Ebene 1 erzeugten Baugruppen in Form von Steckplatten, Steckblöcken oder Kassetten zu finden. Diese Baugruppen müssen so ausgelegt sein, dass sie in die Elemente der nächsthöheren Ebene, zum Beispiel dem Baugruppenträger, passen.
Diese Ebene bietet sich für Geräte an, die Teilaufgaben im Gesamtsystem übernehmen. Beispielsweise werden Steckbaugruppen unter anderem für modulare Steuerungskomponenten wie Netzteile, CPU-Einheiten, Motor-Regler, I/O-Einheiten, Verstärker und Speichereinheiten genutzt.
In dieser Ebene sind im Rahmen der Vorgaben individuelle Aufbauten möglich. Demnach lassen sich etwa Kassetten aufbauen die z. B. über integrierte Kühlkörper verfügen und den thermischen Aufgaben entsprechen
Systemebene 3: Zur Ebene 3 gehören die 19-Zoll-Systemfrontplatten, Volleinschübe und Baugruppenträger.
Die blanke 19-Zoll-Systemfrontplatte dient oftmals als Blende für die unbenutzten Bereiche im Gestell bzw. dem Schrank. Darüber hinaus bildet sie die Frontplatte der sogenannten Volleinschübe.
Volleinschübe sind Gehäuse, die die volle 19-Zoll-Einbaubreite nutzen. In diese Gehäuse werden elektronische Komponenten verbaut, die keinen modularen Aufbau aus Baugruppen, wie bei den Baugruppenträgern, erfordern.
Der Baugruppenträger vereint auf dieser Ebene die modularen Gerätekomponenten aus der Ebene 2 und bildet so eine Funktionsgruppe. Gängige Baugruppenträger sind 3 oder 6 HE hoch und haben eine nutzbare Breite von 84 TE. Die gängigen Tiefen sind an die Europakartenformate 100 x 160 und 220 mm ausgelegt.
Baugruppenträger verfügen über horizontale verlaufende Modulschienen mit eingeschobenen M2,5 Gewindestreifen. An diese werden die Frontplatten der Baugruppen befestigt, die zuvor über Führungsschienen in den Baugruppenträger eingeschoben und mittels genormten Steckverbindern, mit der in den Baugruppenträger integrierte Backplanes galvanisch verbunden wurden. Je nach Konfiguration der Backplane lassen sich die Baugruppen mit Strom versorgen und können über unterschiedliche Busarchitekturen kommunizieren.
Baugruppenträger gibt es in verschiedenen Ausführungen. Neben Baugruppen mit unterschiedlichen Unterteilungen bieten sich EMV und verstärkte Varianten an.
Systemebene 4: Die Ebene 4 umfasst die Gehäuse, Gestelle und die Schränke, die für die Aufnahme der Komponenten aus der Ebene 3 ausgelegt sind. Hierfür sind Gestellholme vorgesehen, die über Befestigungsmöglichkeiten für 19-Zoll-Systemfrontplatten, der Baugruppenträger und Einschübe verfügen. Der Abstand zwischen den Befestigungspunkten beträgt in horizontaler Richtung 465,1 mm. Die lichte Breite zwischen den Gestellholmen hat einen festen Abstand von min. 450 mm. Gängige Schränke bieten eine nutzbare Innenhöhe von 42 HE und haben Außenmaße von 600 x 800 mm. Moderne Schränke besitzen intelligente Heiz- und Kühlsysteme, um die ideale Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit für die Elektronik zu bieten.
* Fatih Sahin, Entwicklungsingenieur bei Fischer Elektronik
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