Interview Deutscher Robotik Verband Warum KMU Robotik-Missionare brauchen

Von Sariana Kunze

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Viele KMU wissen noch nicht, dass es Roboter-Lösungen gibt, die einfach zu integrieren sind. Deshalb ist aus einem Biergarten-Besuch ein neuer Robotik-Verband entstanden. Was Missionare in der Robotik für KMU tun können.

Nur max. 3 bis 4 Prozent der deutschen Mittelständler haben bis jetzt Roboter im Einsatz.
Nur max. 3 bis 4 Prozent der deutschen Mittelständler haben bis jetzt Roboter im Einsatz.
(Bild: Universal Robots)

Anfang des Jahres haben Sie den Deutschen Robotik Verband e. V. gegründet. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Helmut Schmid: Auf die Idee sind wir letzten Sommer im Biergarten kommen. Olaf Gehrels, Christoph Ryll und ich haben uns als ‚Robotic Enthusiasts‘ spontan getroffen und überlegt, was der deutsche Markt brauchen könnte. Wir sind ins Diskutieren gekommen. Der VDMA Fachverband Robotik adressiert eher die BMWs, Siemens & Co sowie große Mittelständler und Zulieferbetriebe. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen fühlen sich dort nicht richtig aufgehoben. Das war der Startschuss des Deutschen Robotik Verbands – kurz DRV.

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Warum brauchen KMU diesen Robotik-Verband?

Helmut Schmid: Nur max. 3 bis 4 Prozent der deutschen Mittelständler haben tatsächlich Roboter im Einsatz. Eintrittshürden wie Preis, Technologie und Komplexität sind meist der Grund dafür. Für uns stand schnell fest, dass wir diese Hürden minimieren wollen.

Olaf Gehrels: Durch kollaborierende Roboter ist ein ganz neuer Markt entstanden, der viele junge Robotik-Unternehmen hervor gebraucht hat. Viele kommen aus dem Softwarebereich, konzentrieren sich auf das Thema Benutzerfreundlichkeit und wollen den Einsatz von Robotik vereinfachen. Speziell diese Unternehmen sind überfordert mit den sicherheitsrelevanten Fragen. Sie wissen nicht, wie sie ihre Technologie sicher in den Markt bringen können. Wir wollen helfen und diesem entstandenen Ökosystem ein Zuhause geben.

Christoph Ryll: Wir wollen eine Struktur bilden, die das Thema Sicherheit leichter greifbar macht. Als Sicherheitsexperte für die Robotik habe ich festgestellt, dass es bei KMU immer mehr um Beratung geht. Ich verstehe mich als Missionar in der Robotik. Ich erkläre, was möglich ist. Mit dem DRV möchten wir Ängste nehmen und dabei unterstützen, dass Roboter auch in kleinen Unternehmen integriert werden können. Dafür ist ein Netzwerk sehr wichtig.

Wie erkennen kleine Unternehmen die Potenziale durch die Automatisierung mit Roboterlösungen?

Helmut Schmid: Genau hier setzen wir mit unserer Aufklärungsarbeit an. Denn Zehn- oder Zwanzig-Mann-Betriebe gehen nicht zwangsläufig auf eine Automatica oder eine Hannover Messe. Das heißt, viele KMU wissen heute noch gar nicht, dass es eine Roboterlösung gibt, die einfach zu integrieren ist – mit einem schnellen Retrun-on-Investzwischen von sechs bis neun Monaten. Wir planen deshalb IHK-Stammtische zu besuchen und kleine, lokale Veranstaltungen zu organisieren..

Christoph Ryll: Zum Beispiel können kleine Betriebe mit Roboterlösungen den Fachkräftemangel ausgleichen. Denn das Durchschnittsalter der Werker liegt jenseits von 50 Jahren und es gibt so gut wie keinen Nachwuchs. Diese kleinen Unternehmen suchen nach Unterstützung für ihre verbliebenen Mitarbeiter. Bestes Beispiel dafür sind die Cobots von Universal Robots, die eine Art Assistent darstellen.

Buchtipp

Das Buch Industrieroboter ist ein Handbuch für KMU mit Tipps und Tricks zum Thema Robotereinsatz. Es werden die wichtigsten Grundlagen der Robotertechnik vermittelt und Methoden erläutert, wie bewertet werden kann, ob sich ein Produkt oder Prozess durch Robotereinsatz automatisieren lässt.

Wenn Sie von einfachen Roboterlösungen sprechen. An welche denken Sie dann?

Helmut Schmid: Oftmals muss nur ein Produkt von A nach B gefördert werden. Eine technologisch sehr einfache Tätigkeit. Das kann ein Roboter mit einfacher Programmierung übernehmen, wenn die Sicherheitsaspekte geklärt sind. Viele wissen nur nicht, dass so was einfach geht.

Olaf Gehrels: Es ist erstaunlich, was alles in Deutschland produziert wird. Das Maß an händischer Tätigkeit ist dabei enorm. Es sind heute 80 Prozent aller fertigenden Tätigkeiten. Beispielsweise Dämmwolle. Sie muss in Folie eingeschweißt werden. Das ist eine Applikation für eine Robotiklösung.

Laut der International Federation of Robotics (IFR) belegt Deutschland Platz 4 in der Top 10 der automatisiertesten Länder weltweit. Dabei ist Deutschland der mit Abstand größte Industrie-Roboter-Markt in Europa. Wie passt das mit der vorherigen Aussage zusammen?

Helmut Schmid: Die Zahlen sehen gut aus, dahinter steckt in Wirklichkeit aber nur die Groß- und Automobilindustrie, die hochautomatisiert sind. Sie bilden lediglich 3 Prozent der Industrie ab. Wir haben aber in Deutschland 90 Prozent Mittelstand, in dem das große Potenzial für die Zukunft schlummert.

Christoph Ryll: Es gibt immer noch das Bild, dass Roboter in die Automobilwelt gehören. Aber das stimmt nicht. Die kleinen, einfachen Roboter gehören überall hin und können auch überall assistieren. Die künftigen Anwender haben noch nicht das Blickfeld für die einfachen Lösungen.

Und wie sieht Ihre Unterstützung für KMU konkret aus?

Christoph Ryll: Ich kenne mich beispielsweise sehr gut mit der Maschinenrichtlinie und Normung aus. Ich kann schnell sagen, welche Ideen einfach umsetzbar sind und wo man vielleicht aus der Normung austreten oder sogar eine neue Normung machen sollte. Denn Innovationen stehen nicht in Normen. Zudem haben wir in unserem Verband einen Experten, der sich mit Förderungen auskennt. So können einige Ideen vom Land gefördert werden. Die Ideen sind da, die Umsetzung ist leider noch nicht optimal.

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Helmut Schmid: Zudem wollen wir auch ein Hochschulcluster anbieten. Um KMU zu einer Zusammenarbeit und somit zu einer Förderung zu verhelfen.

Der DRV ist noch sehr jung. Wer sind die Mitglieder?

Olaf Gehrels: Wir sind begeistert von der Resonanz. Wir bekommen Anfragen aus allen Bereichen, die wir versuchen abzudecken, z. B. Hochschulen, Systemintegration aber eben auch produzierenden Unternehmen.

Wie kann ich dem Verband beitreten?

Helmut Schmid: Es gibt keine Limitierung: Ich kann ein KMU sein, ich kann ein Endanwender, Student oder eine Privatperson sein. Wir sind offen für alle aus dem Robotikumfeld. KMU bezahlen einen Mitgliedsbeitrag ab 300 Euro – was nicht die Welt ist.

Und: Wie sieht Ihre Vision für den Verband aus?

Olaf Gehrels: Unser langfristiges Ziel ist es, ein Robotik-Cluster in Deutschland nach dem dänischen Vorbild Odense aufzubauen. Das ist unser großes Vorbild. Die Vision, die uns verbindet.

Christoph Ryll: Alles was mit Robotik zu tun hat, ist willkommen. Dazu gehört die Peripherie für Robotik, Software für die Robotik, aber auch Servicerobotik, fahrerlose Transportfahrzeuge oder perspektivisch humanoide und androide Robotik. Wir wollen uns nicht einschränken mit Industrierobotik oder Cobots. Es ist so viel mehr..

Deutscher Robotik Verband

Die Fachbereiche und Ansprechpartner

  • Applikationstechnik: Werner Hampel von Robtec.de und Michael Lehner von Ml-robotik.de
  • Forschungskoordination und Förderprojekte: Prof. Dr. Matthias Vette-Steinkamp von Hochschule-trier.de
  • Gesetzliche Vorgaben, Normung und Sicherheit auf Hersteller- und Betreiberseite: Christoph Ryll von Robotics-consulting.de und Michael Probst von Mp-consulting.de
  • Investitionsförderung und Unternehmensfinanzierung: Guido Bruch von Mrk-blog.de
  • Schulische Bildung und außerschulische Weiterbildung: Werner Hampel von Robtec.de und Prof. Dr. Matthias Vette-Steinkamp von Hochschule-trier.de
  • Software-Plattform, Technologie-Radar 'Smarte Robotik für alle', Roboter-Cluster: Christian Piechnick von Wandelbots.com und Tobias Rietzler von Robominds.de

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