Interview mit Weidmüller „Wir bringen Intelligenz in die Produktion“
Der Trend der Digitalisierung in der Industrie erfordert neue Lösungsansätze. Die Redaktion der elektrotechnik AUTOMATISIERUNG hat Jörg Scheer, den Leiter der Division Device & Field Connectivity, gefragt, wie Weidmüller dafür aufgestellt ist.
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elektrotechnik: Der digitale Wandel der Gesellschaft stellt neue Herausforderungen an Unternehmen. Wie sehen Sie das?
Jörg Scheer: Aus dem digitalen Wandel, in dem wir uns befinden, getrieben vor allem durch Initiativen wie Industrie 4.0, ist erkennbar, dass sich Geschäftsmodelle, Produkte, aber auch Arbeitsprozesse sowie die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und mit Kunden verändern. Der Trend der Digitalisierung in der Industrie erfordert neue Lösungsansätze auch für bisher rein elektromechanische Komponenten.
elektrotechnik: Wie können solche Lösungsansätze aussehen?
Scheer: Diese können und werden zukünftig Daten an Schnittstellen in Anlagen sammeln, analysieren und an die Verwaltungsschale kommunizieren. Dieses wird zu neuen Infrastrukturen, Produkten, Services und Geschäftsmodellen führen, die eine smarte Interconnection ermöglichen.
elektrotechnik: Was ist dafür erforderlich?
Scheer: Dafür ist eine zuverlässige, durchgängige Infrastruktur entscheidend – denn ohne die Verbindung werden keine Energie, Signale oder Daten übertragen. In der Automatisierungstechnik wird, neben neuen Konzepten für die Energieübertragung und -verteilung, zukünftig auch ein störungs- und verlustfreier Informationsfluss ein entscheidender Erfolgsfaktor sein. Ohne eine leistungsfähige, durchgängige Infrastruktur stößt die Digitalisierung hier schnell an die Grenzen.
elektrotechnik: So wird die Bedeutung von Steckverbindern und Kabeln daher zukünftig noch weiter steigen?
Scheer: Genau, denn diese Entwicklung wird von drei Trends maßgeblich beeinflusst: der Digitalisierung, der Dezentralisierung und der Miniaturisierung. Im industriellen Umfeld wandern immer mehr Funktionen in die Geräte- und Feldebene, wodurch es einen steigenden Bedarf an durchgängiger Verbindung zwischen Geräten entlang der horizontalen und vertikalen Achse der Automatisierungspyramide geben wird.
Gleichzeitig verändert die Digitalisierung die komplette bisherige Landschaft der Verbindungstechnik. Das IIoT – Industrial Internet of Things – wie die digitalisierte Industrie auch bezeichnet wird, besteht aus sogenannten Cyber-Physischen Systemen, kurz CPS. Darunter versteht man eine Symbiose aus Hardware und Daten, in der es für jede Komponente einen ‚Digitalen Zwilling‘ gibt. Dabei handelt es sich nicht nur um ein exaktes Abbild der physikalischen Eigenschaften, sondern um ein ständig wachsendes Gedächtnis mit allen Daten und Ereignissen – von der Entwicklung über die Bestandteile und Eigenschaften einer Komponente oder eines Systems über den gesamten Lebenszyklus bis zum End-of-Life.
elektrotechnik: Was heißt das auf Weidmüller übertragen?
Scheer: Digitalisierung besteht auch für unsere Produkte aus diesen beiden Dimensionen: Wir erhöhen die Leistungsfähigkeit und Spezifikationen, zum Beispiel mit schnelleren Datenübertragungsraten, oder stellen mit einer besseren Schirmung die elektromagnetische Verträglichkeit sicher. Auch eine Erweiterung um intelligente Funktionen, beispielsweise für Predictive Maintenance, gehört dazu.
elektrotechnik: Sie bringen sozusagen Intelligenz in die Produktion?
Scheer: Ja, genau das werden wir auf der Hannover Messe, gemäß deren Motto „Industrial Intelligence“, zeigen. Wir präsentieren einen Demonstrator für einen intelligenten Steckverbinder, der die Übertragung, Erfassung und Analyse von Energie ermöglicht.
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Weidmüller
Vom patentierten Druckknopf bis zu Industrie 4.0
elektrotechnik: Welche Vorteile sind damit verbunden?
Scheer: All dies optimiert den Prozess auf vielen Ebenen, spart Kosten und beschleunigt die Produktion. Schließlich ermöglicht eine Integration von Sensor-und Diagnosefunktionen direkt in den Steckverbinder völlig neue Anwendungsfelder in der Industrie – und macht zusätzliche Sensorik teilweise überflüssig. So werden diese zukünftig nicht mehr nur Strom transportieren, sondern auch Daten erfassen und Condition Monitoring ermöglichen. Dadurch können wichtige Daten für die Produktionssteuerung wie beispielsweise der Stromverbrauch geliefert oder erfasst werden, wenn es Veränderungen innerhalb des Steckverbinders selber gibt – zum Beispiel, wenn sich der Widerstand aufgrund von Korrosion ändert und das Produkt droht auszufallen. Dadurch kommt es zu weniger Maschinenstillstand und einer Steigerung der Effizienz. Durch den Steckverbinder wird außerdem die nahtlose Verknüpfung der realen mit der der virtuellen Welt möglich – ganz ohne Umwege.
elektrotechnik: Wie ist Ihr Unternehmen dafür aufgestellt, um solche Entwicklungen voranzutreiben?
Scheer: Erste Entwicklungen haben wir angestoßen. Um die Forschung und Entwicklung an smarter industrieller Verbindungstechnik, dem Wandel der industriellen Infrastruktur und der digitalen Beschreibung von Produkten zu unterstützen, etabliert Weidmüller ein Smart Connectivity Competence Center im Centrum für industrieller IT, das ‚CIIT‘ in Lemgo auf dem Campus der Hochschule OWL. Durch die Nähe zu diesem Hochschulstandort mit seinen Instituten, der Smart Factory OWL, sowie der Beteiligung am Netzwerk ‚It´s OWL‘, soll das Competence Center optimale Unterstützung finden und an Innovationen im Bereich Verbindungstechnik forschen.
elektrotechnik: Sie erwähnten den Digitalen Zwilling …
Scheer: Diesen werden wir unseren Kunden künftig für jedes einzelne Produkt zusätzlich zur Verfügung stellen. Im Bereich der Steckverbinder gibt es hier noch sehr viel ungenutztes Potenzial zu heben. Wenn sämtliche Informationen über die Eigenschaften und Verwendung des Steckverbinders das Produkt über den gesamten Lebenszyklus als digitaler Datensatz begleiten, geht der Kundennutzen weit über eine effiziente und fehlerfreie Verarbeitung im Produktionsprozess hinaus. Auch in der Anwendung sind neue Businessmodelle denkbar.
elektrotechnik: Zu dem Wandel gehört zunehmend auch das Thema Robotik?
Scheer: Richtig, das Thema Robotics verändert vor allem zurzeit die Wertschöpfungsketten in der Produktion und damit vor allem den Maschinenbau. So soll der Bestand an Industrierobotern bis 2020 auf mehr als drei Millionen Stück anwachsen. Besonders in China spielt der Bereich bereits eine herausragende Rolle, sowohl beim Marktwachstum als auch bei der Technologieentwicklung. Hier haben sich eine Vielzahl an Organisationen und Verbände etabliert, die das Thema gemeinsam mit Unternehmen vorantreiben – zum Beispiel die Robotation Academy Foshan oder die China Robot Industry Alliance. Durch den Zusammenschluss mit den Forschungseinrichtungen werden die Forschung und Entwicklung von Robotiklösungen weiter vorangetrieben und zukünftig noch stärker zum Einsatz kommen.
elektrotechnik: Welche Bedeutung nimmt das Thema Robotik für Weidmüller ein?
Scheer: Steckverbinder spielen in diesem Kontext natürlich eine große Rolle – hier bieten wir viele Anschlusslösungen für die Versorgung der Roboter mit Energie, Daten und Signalen von der Feldebene bis in den Schaltschrank.
Dazu gehören Systeme für die berührungslose Energieübertragung, Stromversorgungen, I/O-Systeme, schwere Steckverbinder, Energiemessgeräte, Netzwerkinfrastruktur sowie Energiebussysteme. Mit diesen Technologien wird die Vibrationsbeständigkeit, Ansprechgeschwindigkeit sowie die Leistung und Zuverlässigkeit der elektrischen Verbindungen an den Robotern optimiert.
elektrotechnik: Diese Entwicklungen sind heute nicht mehr allein zu stemmen, welche Kooperationen nutzen Sie noch?
Scheer: Hier können wir die Robotation-Akademie in Fushan nennen – ein Zusammenschluss globaler Marktführer und lokaler Player – mit dem Focus auf ‚Smart Production‘, also Industrie 4.0. Die Akademie schafft die Rahmenbedingungen für eine bereichsübergreifende Forschung und Entwicklung, die Möglichkeit konkrete Anwendungen greifbar zu machen und daran zu lernen. Industrie 4.0 wird auch in China immer wichtiger, da das Land mit extrem hohen Lohnzuwächsen zu kämpfen hat und einen Transformationsprozess, weg von der verlängerten Werkbank des Westens, hin zu mehr Automation vorantriebt.
elektrotechnik: Welches Ziel verfolgen Sie mit der Digitalisierung?
Scheer: Weidmüller ist hier bereits sehr gut aufgestellt. Wir entwickeln sowohl unsere Produkte als auch unsere Kompetenzen proaktiv in Richtung Digitalisierung weiter – mit dem klaren Ziel, unsere Kunden in ihren Herausforderungen und bei der Transformation als Partner zu unterstützen. Ob persönlich oder online, ob mit Produkten, Mustern oder Daten, bei Entwicklungs- oder Zulassungsprozessen. Immer mit Erfahrung, Kompetenz und zukunftssicheren Lösungen. Um gemeinsam neue Wege zu gehen, bevor die bekannten im Sand der Geschichte verlaufen.
So werden wir auf der Hannover Messe neben dem Smart Connector auch eine weitere Innovation aus dem Bereich Maschine Learning präsentieren.
Hannover Messe: Halle 11, Stand B58
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