Netztechnik Bei Minus 209 °C kommt alles an
Neue Technologien helfen das Stromnetz und die -verteilung zu verbessern. Messer kühlt Supraleitungskabel mit flüssigem Stickstoff anstelle von bisher -196 auf -209 °C. Das sichert einen fast verlustfreien Transport von Strom im Netz.
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Der Industriegasespezialist arbeitet zusammen mit RWE an deren Projekt Ampa City. Im Rahmen des Pilotprojekts nahm der Stromversorger im April 2014 das bisher längste supraleitende Kabel der Welt in Essen in Betrieb. Durch das rund 1.000 m lange Hochleistungskabel zwischen den Umspannanlagen Herkules und Dellbrügge fließt bei gleichem Durchmesser circa fünfmal mehr Strom als in einem konventionellen Kabel. Der Aufbau der Stromnetze vereinfacht sich. Um die Übertragungsverluste von Energie gering zu halten, kommen in großen Städten üblicherweise 110.000-V-Leitungen zum Einsatz. Erst innerhalb der Städte sinkt die Spannung in großen Umspannanlagen auf 10.000 V. Im Stadtnetz reduzieren kleinere Stationen die Spannung für die Versorgung der Abnehmer auf 400 V.
Flüssiger Stickstoff kühlt die Supraleitung
Der Energieverlust in heutigen Stromleitungen rührt vom elektrischen Widerstand beim Transport von Strom her. Manche Materialien verlieren diesen Widerstand bei bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt von -273,15 °C und werden zu Supraleitern. Die vor etwa 100 Jahren entdeckten (metallischen) Supraleiter werden bei -269 °C gekühlt. Das Verfahren verlangt eine kostenintensive Helium-Kühlung und zieht einen hohen Energieverbrauch zur Kälteerzeugung nach sich. 1986 entdeckte der Nobelpreisträger Georg Bednorz die Hochtemperatur-Supraleiter. Diese lassen sich mit flüssigen Stickstoff anstelle von Helium kühlen. Das Stromkabel des Ampa Ctiy-Projekts besteht aus diesem Material. Messer entwarf hierfür eine neue Kühltechnologie. Die Kühltemperatur liegt bei -209 °C. Normalerweise reicht die Kühlleistung mit flüssigem Stickstoff nur bis -196 °C. Bei der neuen Kühltechnologie verdampft flüssiger Stickstoff im Unterdruck und erreicht so die erforderliche Temperatur für die Kabelspezifikation. Der kalte Stickstoff gleicht die Wärme aus, die das Ampa City-Supraleiterkabel aus der Umgebung aufnimmt und ermöglicht einen annähernd verlustfreien Stromtransport. Ein Rückführsystem sorgt für einen energieeffizienten, geschlossenen Kreislauf.
Kühlung auf einem km Länge
Dr. Friedhelm Herzog betätigt sich als Anwendungsspezialist für Gase in der Industrie bei Messer und erklärt welche Rolle die neue Technologie für das RWE-Projekt und die Supraleitungskabel spielt:
Wie kam die Zusammenarbeit mit RWE zustande?
„Auf der Hannover Messe 2012 kam ich mit der Firma Nexans ins Gespräch, dem Lieferanten des supraleitenden Kabels. Wir sprachen über das Pilotprojekt Ampa City und die Anforderungen an die Kühlung des ein Kilometer langen Stromkabels. Nach diesem Gespräch entwickelten wir bei Messer ein Konzept für eine neue Flüssigstickstoff-Kühltechnologie, die im Vergleich zur ursprünglich vorgesehenen Kühlung mit Stirling-Maschinen einige Vorteile bietet. Dieses Konzept präsentierten wir dann RWE, wo es ebenfalls auf Zustimmung stieß.“
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