Wir haben nachgefragt Was sich Antriebsexperten gerade am meisten wünschen

Von Karin Pfeiffer

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Welche Marktbremsen würden Sie in der Antriebstechnologie am liebsten sofort lösen? Das haben wir acht Experten aus verschiedenen Marktsegmenten gefragt. Klar, einheitliche Schnittstellen sind auch dabei. Aber so manche Antwort hat uns auch überrascht. Aber lesen Sie selbst!

Wir haben Experten der Antriebstechnik gefragt, was sie sich am meisten wünschen.
Wir haben Experten der Antriebstechnik gefragt, was sie sich am meisten wünschen.
(Bild: ©lassedesignen - stock.adobe.com)

Mehr Mut, Neues zu wagen

Armin Wallnöfer, Digital Leader Motion Deutschland bei ABB Automation Products: „Bewegt sich in der Industrie-4.0-nahen Fertigung heutzutage etwas, steckt meistens Antriebstechnik mit intelligenten Komponenten dahinter. Vielen Unternehmen sind die Vorzüge des industriellen Internets der Dinge bewusst, zum Einsatz kommen digitale Lösungen aber immer noch nur bei einer Minderheit. Aus den gewohnten, fest verankerten Geschäftsmodellen auszubrechen, fällt vielen schwer. Traditionelle Prozesse werden den Erwartungen gerecht und bergen überschaubare Risiken, aber sie hemmen auch Fortschritt und Innovation. Ich würde mir mehr Mut wünschen, Neues zu wagen und althergebrachte Strukturen aufzubrechen. Denn die Digitalisierung im Maschinenbau erfordert eine andere Herangehensweise als bisher.

Digitalisierung bedeutet auch nicht, alles über Bord zu werfen und vollständige Neuinvestition tätigen zu müssen. Es gibt mittlerweile einfache Lösungen, die selbst ältere Anlagen auf einfache Weise zugänglich fürs industrielle Internet machen und so ein erster Schritt in diese Richtung sind. Dieses Wissen muss sich im Markt noch mehr verankern.“

Eine durchgängige Kommunikation

Patrick Schumacher, Leiter Produktmanagement Industrielle Antriebstechnik bei EBM-Papst St. Georgen: „Das Überführen der großen Vielfalt inkompatibler industrieller Kommunikationssysteme in eine hersteller- und ebenenübergreifende IIoT unterstützende Kommunikation. Eine zeitgleiche Harmonisierung im Bereich der funktionalen Sicherheit würde die Bereitstellung, den Einsatz und die Verbreitung moderner Antriebstechnik zusätzlich vereinfachen.

Die durchgängige Kommunikation aller beteiligten Maschinen und Anlagenteile sowie deren nahtlose Integration in die überlagerten Leitsysteme ermöglicht die Bereitstellung von Daten über alle Ebenen des Unternehmens. Ohne diese Grundlage können Informationen nicht analysiert, Anlagen und Prozesse nicht optimiert und Aufbau- & Umbauphasen nicht verkürzt werden.“

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Einheitliche und offene Schnittstellen

Jörg Paulus, General Manager –Europe, Posital-Fraba: „Kurz gesagt: Proprietäre Protokolle braucht niemand mehr! Offenheit und Interkompatibilität sind die Zukunft. Konkret heißt das: BiSS-C und BiSS Line statt Endat oder Hyperface DSL. Die Lösungen und Systeme der Zukunft nutzen Motoren, Sensoren und sonstige Komponenten, die von vielen verschiedenen Herstellern stammen. Exakt hier greifen einheitliche und offene Schnittstellen. Sie gewährleisten das reibungslose Zusammenspiel der unterschiedlichsten Systembausteine. Zugleich garantieren sie, dass die anfallenden Daten einheitlich und vollständig auswertbar sind. Nur so können Condition Monitoring oder Predictive Maintenance fehlerfrei funktionieren!“

Mehr Zeit für Evaluierung und Gespräche

Jörg Brinkemper, Strategischer Produktmanager Drives & Automation Solutions bei KEBA: „Gerade in der heutigen Zeit wünsche ich mir für unsere Kunden, die Maschinen- oder Anlagenbauer, dass Sie sich mehr Zeit für die Evaluierung neuer innovativer und zukunftssicherer Antriebskonzepte nehmen können. Zeit für Gespräche mit den Technologielieferanten und im Anschluss auch für die reale Umsetzung. So können wir zusammen langfristig den Wettbewerbsvorsprung im lokalen Maschinenbau sichern bzw. ausbauen. Ich sehe uns dabei als verlässlichen Partner bei der Erarbeitung der besten Lösung. Erforderlich sind dazu effiziente Entwicklungsmethoden und intuitive Werkzeuge, um schnell in die Umsetzungs- und Markteinführungsphase zu gelangen.“

Keine Scheu mehr vor Innovationen

Michaela Kaufmann, Global Product Manager bei Rockwell Automation: „Definitiv die Scheu vor Innovationen, die oftmals vorherrscht. Innovationen ermöglichen neue Konzepte, die ein Umdenken im Maschinenbau sowie auf Endkundenebene fordern. Dabei gilt es stets das komplette Paket zu betrachten, losgelöst von den einzelnen Maschinenkosten. Im Fokus muss der Mehrwert liegen, den neue Technologien und Innovationen schlussendlich bedeuten. Dabei muss klar sein, dass der entstehende Mehrwert sich langfristig auswirkt und auch auf diese Weise betrachtet werden muss. Das Investment, das in moderne, vernetzte und smarte Fördertechnologien getätigt werden muss, mag im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen teurer sein. Langfristig sind Technologien wie flexible Transportsysteme jedoch durch höhere Produktionszahlen, weniger Maschinenstillstand, geringere Instandhaltungskosten und viele andere Vorteile für Unternehmen wesentlich günstiger. Damit diese Technologien auf dem Markt mehr Aufmerksamkeit erhalten, muss diesem Thema allerdings mehr Offenheit entgegengebracht werden.“

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Drei Wünsche reichen kaum

Dominik Hettich, Global R&D Director (Servo Brakes) bei Kendrion: „Wenn wir einige Wünsche frei hätten, um uns das Leben etwas zu erleichtern, würden wir in erster Linie die globalen Handelsrestriktionen aufheben welche derzeit herrschen und durch Handelskriege oder politische Spannungen immer schärfer werden, wie z.B. die Einfuhrbestimmungen nach China, USA sowie die erschwerten Bedingungen, die mit dem Brexit einhergehen.

Wir würden ebenfalls eine höhere Standardisierung von elektrischen Kontakten und Steckern begrüßen, da die ausufernde Vielfalt von verschiedenen Größen und Arten die damit verbundenen Kosten senken und die Liefergeschwindigkeit seitens des Herstellers erhöhen würden.

Mit dem Thema Standardisierung geht auch das Problem der Produktzertifizierung einher. Überall auf der Welt gibt es länderspezifische Zulassungen und Zertifizierungen, welche eingehalten werden müssen, um das Produkt auf diesem Markt verkaufen zu können (CE, UL, CCC…). Das verursacht natürlich Kosten für den Hersteller und erheblichen Verwaltungsaufwand für die Überwachung, Einhaltung und Aktualisierung der Richtlinien.

Zu guter Letzt würden wir natürlich auch gerne das Thema „Covid“ aus der Welt schaffen wollen – nicht nur im Bereich der Antriebstechnik hemmt dieses Problem das Voranschreiten von Innovationen. Da im Moment bei so gut wie allen Antriebsexperten Kosteneinsparungen im Vordergrund stehen, wird weniger in neue Technologien oder Innovationen investiert, damit man aus dieser Krise einigermaßen unbeschadet wieder rauskommt. Covid-19 trägt auch dazu bei, dass die Grenzen der Globalisierung überdacht werden müssen, z.B. müssen immer häufiger Lieferketten neu aufgebaut und qualifiziert werden, damit Material lokal bereitgestellt werden kann, um den reibungslosen Ablauf in der Herstellung garantieren zu können. „

Weltpolitische Spannungen lösen

Torsten Blankenburg, Vorstand Sieb & Meyer AG: „Mit dem Hintergrund, dass der Fokus von Sieb & Meyer auf Nischenlösungen liegt, betrachten wir stärker individuelle Applikations- und Kundenlösungen als globale Märkte. Nichtsdestotrotz sehen wir aktuell die weltpolitischen Spannungen bzw. Veränderungen und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Welthandel und nationalen Regularien als kritisch an, z.B. der Brexit und der USA/China-Handelskonflikt.“

Den Feldbuskrieg beenden!

Stephan Scholze, Entwicklungsleiter Elektronik bei Stöber Antriebstechnik: „Beendet den Feldbuskrieg! Das ist aus unserer Sicht eine der größten Marktbremsen. Eine volkswirtschaftliche Verschwendung, weil Myriaden von Produktmanagern und Entwicklern ihre Zeit verschwenden, die x-te Schnittstelle anzupassen, statt innovative Themen zu bearbeiten und unser Land und Europa im internationalen Wettbewerb voran zu bringen. Eben mit neuen und smarten Technologien.

Das ist eine Aufgabe für die großen Maschinenhersteller in Deutschland und Europa, die mit ihrer Marktmacht dazu imstande wären. Würde das gelingen, wären als nächstes die Encoder-Hersteller mit ihren unterschiedlichen und inkompatiblen Schnittstellen an der Reihe.“

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